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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Seine Haut war trocken und rissig. Eine breitere Hand
hatte ich tatsächlich noch nie gesehen.
    »Von’nem ganzen Haufen
Sachen«, sagte er. »Kommst du aus New York?«
    »Ja.«
    »Bist du afrikanischen
Glaubens?«
    »Ich weiß, dass ich
Afrikanerin bin«, sagte ich mit einem Lächeln.
    Er lachte. »Ich mag
Frauen mit’m Sinn für Humor.«
    »Ich habe einen kleinen
Menschen, für den ich sorgen muss. Da würde mein Humor noch wachsen, wenn ich
einen warmen Ort zum Schlafen finden könnte.«
    »Ich habe niemanden mit
dir hereinkommen gehört.«
    »Die Kleine wächst noch
in mir.«
    »Halleluja, Schwester«,
sagte er. »Dann vertu deinen Morgen nicht. Du hast keine Zeit zu verlieren. Der
Mann, zu dem du willst, ist nicht hier, und es würde auch nicht helfen, wenn
er’s wäre. Aber du hast Glück, Schwester, denn ich bin Moses Wilkinson. Manche
nennen mich den Prediger, aber die meisten sagen einfach nur Daddy Moses. Bist
du gerettet worden?«
    »Das hängt davon ab«,
sagte ich.
    »Wovon?«, fragte er mit
einem Grinsen.
    »Weißt du, wo ich unterkommen
kann?«
    »Aber ganz sicher«,
sagte er. »Da bist du zum richtigen Mann gekommen.«
    »Dann bin ich gerettet,
Daddy Moses.«
    Ich redete mit dem
Prediger, bis ein starker junger Mann kam und sagte: »Ich bin wieder da, Daddy
Moses.« Er nahm den Alten wie ein Baby auf den Arm.
    »Bring meinen Hocker
mit«, rief Daddy Moses mir zu.
    Ich nahm ihn und folgte
den beiden nach draußen. Der junge Mann setzte Daddy Moses auf einen
zweirädrigen Karren.
    »Du kannst mitkommen,
aber du musst laufen«, sagte Daddy Moses.
    Der junge Mann spannte
sich selbst vor den Karren und begann Daddy Moses zu ziehen. Ich ging neben dem
Alten.
    »Gehen wir nach
Birchtown?«, fragte ich.
    »Du hast davon
gehört?«, fragte Daddy Moses. »Ist drei Meilen entfernt, am Hundearsch des
Hafens.«
    Auf dem Weg erklärte er
mir, dass die Sklaven und Vertragsknechte der Stadt bei den weißen Loyalisten
wohnten, denen sie gehörten. »Aber wenn du farbig und frei bist«, sagte er,
»gehörst du nach Birchtown.« Neuschottland habe mehr Platz, als Gott segnen
könne, sagte Daddy Moses, aber kaum etwas davon werde Schwarzen zugeteilt.
    »Aber die Engländer
haben gesagt, wir bekämen Land«, erwiderte ich.
    »Stell dich ganz ruhig
und geduldig hinten an«, sagte er. »Da sind Tausende Farbige vor dir, und vor
denen noch mal’n paar Tausend Weiße. Das Land hier heißt Neuschottland, aber
die Leute in Birchtown haben’nen anderen Namen dafür.«
    »Und was sagen sie?«
    »Neuknappland.«
    Ich fragte mich, ob
Chekuras Warnungen vor dem gelobten Land wohl richtig gewesen waren. Und wo war
er in diesem Augenblick? Hatte er zu essen und einen Unterschlupf?
    »Wir müssen für dich
jagen gehen«, sagte Daddy Moses.
    »Jagen?«
    »Wir müssen dir’n paar
Felle besorgen. Was Gutes von Reh, Elch oder Bär, junge Dame, denn die Weißen
werden weder deine Seele retten noch dir den Hintern wärmen.« Während wir immer
noch weitergingen, erklärte mir Daddy Moses, die Leute in Birchtown seien in
Gruppen aufgeteilt, jede mit einem Anführer, der die Rationen der Briten
verteile, und auch die Landzuteilungen – wenn es denn welche gäbe.
    Daddy Moses stand der
Methodistenkirche vor, die eine der Gruppen darstellte. »Hast du Jesus in die
Arme geschlossen?«, fragte er mich.
    »Meine Arme hatten
bisher immer zu tun, und er hat mich noch nicht besucht.«
    »Das Gute an Armen
ist«, sagte Daddy Moses, »dass du sie nur öffnen musst. Ich habe meine Augen
und meine Gehfähigkeit vor vier Jahren verloren.«
    »Pocken?«
    »Genau. Aber ich habe
mein Herz und meine Arme noch, und das ist gut für Jesus. Der Junge da? Der
mich zieht? Ich kümmere mich um seine Seele, und er und die anderen schaffen
mich von hier nach da. Jesus sagt uns, wir sollen füreinander sorgen.«
    Zwei Stangen ragten
vorne aus dem Karren, und der Junge ging zwischen ihnen. Er zog mit beiden
Händen, war etwa sechzehn, aber schon groß und muskulös und brach kaum in
Schweiß aus.
    »Hallo«, grüßte ich
nach vorne zu ihm.
    Er wandte sich mit
einem herzlichen Lächeln zu mir um, als hätte er auf die Erlaubnis dafür
gewartet. »Guten Morgen, Ma’am, und willkommen in Neuschottland.«
    »Danke«, sagte ich. »Es
ist gut von dir, den Priester zu ziehen.«
    »Daddy Moses und ich,
wir ziehen uns gegenseitig.«
    »Wir sind Reisende«,
sagte ich.
    »Amen«, sagte Daddy
Moses.
    Ich sah den Jungen an
und dachte, wie gut es sich anfühlen würde, wenn

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