Ich habe einen Namen: Roman
eine feine Schneeschicht den Boden, und Flocken
wirbelten im kalten Wind. Etwa tausend freie Neger lebten hier. Einige hatten
sich Hütten gebaut, andere hatten tiefe Gruben in die Erde gegraben, sie mit
Baumstämmen und immergrünen Zweigen abgedeckt und drückten sich dort
aneinander, um den Winter zu überstehen.
Daddy Moses und seine
Frau Evangeline besaßen eine Ein-Raum-Hütte mit einem Vorhang in der Mitte. Im
hinteren Teil schliefen sie, vorn sprachen die Gemeindemitglieder mit Daddy
Moses, wenn sie etwas auf dem Herzen hatten. Dort bekam ich ein provisorisches
Bett.
Theo McArdle ließ mich
Anzeigen für Importeure von Seide, Tabak, Sirup, Obst, Mehl, Enten und Rum
schreiben. Dafür gab er mir Lebensmittel, die ich mir mit meinen Gastgebern in
Birchtown teilte; am besten gefiel mir jedoch, dass ich den Shelburne Crier lesen konnte. Ich durchsuchte die Seiten nach Nachrichten aus anderen Orten und
Gegenden und hoffte auf ein Wort über Annapolis Royal und die Neger dort. Aber
ich fand rein gar nichts über freie Neger. Bei fast allen Nachrichten über mein
Volk ging es um entlaufene Sklaven. In einer alten Ausgabe des Nova Scotia Packet and General Advertiser , den Theo McArdle ebenfalls in seinem
Laden verkaufte, fand ich zum Beispiel diese Anzeige:
FÜNF DOLLAR BELOHNUNG
Dem Abonnenten am Samstag, den 22. …
entlaufen: ein Neger-Weibsbild namens Dinah, etwa fünfundzwanzig Jahre alt.
Trug, als sie weglief, einen blauweißen Drillichunterrock, einen lilaweißen
Kittel und einen alten blauen Mantel. Wer immer besagtes Weibsbild fasst und
festhält, sodass der Besitzer sie zurückbekommt, erhält oben genannte Belohnung
sowie eine angemessene Aufwandsentschädigung. Robert Sadler, Shelburne, Mowar Street, 24.
Juli 1783. Erbauern von Fahrzeugen und anderem wird hiermit untersagt, besagtes
Weibsbild wegzubringen oder ihm Unterschlupf zu bieten. Sie werden haftbar
gemacht.
In Birchtown
wurde mir erzählt, dass Dinah tatsächlich gefangen und ihrem Eigentümer
zurückgebracht worden war, der sie daraufhin auspeitschen ließ. Wer frei nach
Neuschottland kam, das begriff ich, blieb frei, auch wenn das amerikanische
Sklavenhalter nicht davon abhielt, in die Stadt zu kommen und zu versuchen,
ihren früheren Besitz erneut an sich zu bringen. Kam man jedoch als Sklave nach
Neuschottland, ging es einem nicht besser als den Brüdern und Schwestern in den
Vereinigten Staaten.
Während meines ersten
Monats in Birchtown brachte ich zwei Babys auf die Welt und wurde von
Engländern angestellt, die sich »Gesellschaft für die Verbreitung des
Evangeliums im Ausland« nannten. Sie bezahlten mir drei Schillinge pro Woche,
damit ich den Menschen in Birchtown das Lesen beibrachte. Der Unterricht fand
in der Methodistenkirche statt, um deren Ofen wir uns drängten. Ich arbeitete
so viel, wie ich konnte, um mir wärmere Kleider und eine Bärenfelldecke für
mein Bett kaufen zu können. Ich hatte nicht viel. Ich hatte weniger zu essen
und lebte unter schlechteren Bedingungen als je in meinem Leben. Aber ich war
in Neuschottland, und ich war frei.
Wenn Daddy Moses ihn
gerade nicht brauchte, teilten wir uns den Karren, mit dem er von Shelburne
nach Birchtown gefahren war. Als ich genug gespart hatte, kaufte ich drei
Karrenladungen altes Bauholz, Nägel, Pfähle und ein paar Stücke Segeltuch. Mit
Hilfe von Jason und drei anderen jungen Männern, die ich unterrichtete, baute
ich mir eine Hütte. Wir rammten die Pfähle in den Boden, verbanden sie mit
Querbalken, füllte die Lücken mit Moos und Holz aus und wickelten das Ganze mit
Segeltuch ein, um den Wind draußen zu halten. Mit vereinten Kräften wuchteten
wir dann einen dickbäuchigen Ofen durch die Tür. Es war gerade genug Platz für
ein Bett, einen Stuhl und einen Tisch, den Ofen und mich. Der Ofen machte mich
und meine Hütte zu so etwas wie einer Rarität. Ich war einer der wenigen
Bewohner Birchtowns, der so ein Ding besaß, und das auch nur, weil Theo McArdle
einen weißen Loyalisten kannte, der ihn nicht mehr brauchte, nachdem er einen
besseren aus England bekommen hatte.
Während sich Daddy
Moses um unsere Seelen kümmerte, sorgte seine Frau Evangeline für unser
leibliches Wohl. Als ich mich in meiner Hütte eingerichtet hatte, ging ich zu
ihr, um etwas von den Lieferungen zu bekommen, die der Siedlung von den
Engländern zur Verfügung gestellt wurden. Evangeline war eine kräftige Frau,
die ein Beil am Gürtel trug. Wer auch nur davon träumte, in
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