Ich habe einen Namen: Roman
wohl
wert war.
Wir waren mittlerweile
ein ganzer Trupp Gefangener, wurden zu zweit oder zu dritt an den Hälsen
zusammengebunden und weiter vorangestoßen. Ein Junge, vielleicht vier
Regenzeiten älter als ich, ging neben uns und behielt uns im Auge.
Zwischendurch ließ er uns aus einem Wassersack trinken, verteilte Hirse- und
Maiskekse, eine Mango oder eine Orange. Wenn die älteren Fänger nicht aufpassten,
sah er immer wieder zu mir hin. Er sprach Bambara, aber ich schenkte ihm keine
Beachtung. Er war knochig, schien ganz aus Schultern, Ellbogen, Knien und
Knöcheln zu bestehen und hatte einen komisch unkoordinierten Gang. Sein
ständiges Lächeln machte mich misstrauisch. Es gab keinen Grund zum Lächeln,
hier ließen sich keine Freunde finden, und man lächelte seine Feinde nicht an.
Das sagte ich mir und zweifelte dann plötzlich wieder daran. Mein Vater,
erinnerte ich mich, hatte mir erklärt, dass ein kluger Mann seine Feinde kennt
und nahe bei sich hält. Vielleicht war dieser Junge, der mich da so unschuldig
mit großen Augen anstarrte, mein Feind. Oder er war nur ein dummer, lächelnder,
neugieriger Kerl, dem es Spaß machte, neben uns herzugehen, ohne auch nur eine
Ahnung davon zu haben, was hier vorging. Mir gefiel sein Blick auf meinen
nackten Körper nicht. Ich wollte in diesem Zustand nicht bemerkt, gesehen oder
erkannt werden. Bestimmt kam ich wieder frei. Das musste ein Ende nehmen. Ich
musste eine Gelegenheit finden, in den Wald zu fliehen und zurück nach Hause zu
laufen. Aber so, ohne einen Fetzen Stoff auf mir, konnte ich unmöglich zu
jemandem laufen, der mich kannte. Dafür war ich zu alt. Meine Brüste standen
kurz davor zu sprießen, meine Mutter hatte gesagt, dass ich bald eine Frau
werden würde. So durfte ich nicht gesehen werden. Ich wurde fast verrückt vor
lauter Grübelei, wie ich meiner Nacktheit entfliehen könnte. Wohin sollte ein
nackter Mensch schon fliehen?
Wir waren jetzt von
ungefähr zehn Fängern umgeben, die alle Speere, Knüppel und Feuerstöcke bei
sich trugen. Ihre Sprache hörte sich vage wie Bambara an. Muslime konnten es
nicht sein, denn sie hielten niemals an, um zu beten. Nachts wurden wir unter
einen Affenbrotbaum getrieben, und unsere Fänger bezahlten fünf Männer aus
einem nahen Dorf dafür, uns zu bewachen. Immer noch an den Hälsen
zusammengebunden, mussten wir Holz sammeln, Feuer machen und Jamswurzeln in
Wasser kochen, ohne auch nur eine Paprika, um dem Ganzen etwas Geschmack zu geben.
Der Brei war wässrig und schmeckte nach nichts, und ich bekam ihn nicht
herunter. Der Junge, der mich anstarrte, brachte mir eine Banane. Ich nahm sie
und aß sie, weigerte mich aber, mit ihm zu sprechen.
»Du da«, rief Fanta.
»Kind aus Bayo. Tochter von Mamadu, dem Schmuckmacher. Gib mir die Banane. Wirf
sie her.«
Ich aß die Banane auf
und sagte: »Ich hatte nur eine.«
»Sprich mit dem Jungen,
der sie dir gegeben hat. Ich habe gesehen, dass er dich beobachtet.«
»Er hat nichts mehr zu
essen.«
»Unverschämte Kinder
müssen geschlagen werden. Ich habe Mamadu Diallo immer gesagt, dass er zu
nachgiebig mit dir war.«
Ich spürte, wie die Wut
in mir wuchs. Ich wollte ihren Bemerkungen entfliehen. »Lass mich in Ruhe«,
sagte ich.
»Genau wie deine
Bambara-Mutter«, schimpfte sie.
»Ich habe gesagt, lass
mich in Ruhe.«
»Dich mitzunehmen,
damit du siehst, wie all die Babys geboren werden. Lächerlich.«
»Ich habe nicht nur
zugesehen, ich habe ihnen selbst mit auf die Welt geholfen. Und wer, denkst du,
wird dir helfen?«
Fantas Mund öffnete
sich. Da. Damit waren wir quitt. Aber dann schämte ich mich für das, was ich
gesagt hatte. Mein Vater hatte mir gesagt, ich solle meine fehlende Achtung
verbergen, und meine Mutter hätte niemals die Schwangerschaft einer Frau gegen
sie verwandt. Fanta verstummte. Ich stellte mir vor, wie sehr sie sich würde
schämen müssen, ihr Baby unter den Augen unserer Fänger zur Welt zu bringen.
Wir wurden an den Füßen
zusammengebunden, immer zu zweit, und von den Holzstangen befreit, damit wir
uns unter den Affenbrotbaum legen konnten. Ich kam mit Fomba zusammen, der mir
erlaubte, mich neben Fanta zu legen. Ich berührte ihren Bauch. Sie sah mich
wütend an, aber als sie dann meine Hand ruhig und still auf ihrem Nabel fühlte,
wurde ihr Blick weich.
»Komm näher, Kind«,
sagte sie. »Ich spüre, wie du zitterst. Ich war nur so grob, weil ich hungrig
und müde bin. Ich werde dich nicht schlagen.«
Ich kuschelte mich
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