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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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an
sie und schlief ein.
    Jemand rieb meine
Schulter. Erst träumte ich, es wäre Fanta, die mir befahl, ihr eine Banane zu
holen, aber dann öffnete ich die Augen und träumte nicht länger, und da war
Fomba, der mir sagte, ich hätte im Schlaf laut geweint.
    Mein Stöhnen sei den
Wachen unheimlich, sagte Fomba, und sie drohten, mich zu schlagen, wenn ich
keine Ruhe gäbe. Im Übrigen würde ich fürchterlich mit den Beinen strampeln. Er
lag neben mir, strich mir über den Arm und sagte, er würde nicht zulassen, dass
sie mir wehtäten, aber ich müsse richtig schlafen.
    Unsere Fänger hatten
Fomba das Kaninchen abgenommen, abgezogen und ausgenommen, und jetzt brieten
sie es über dem Feuer. Nichts von seinem Fleisch, oder von den Hühnern, die sie
auch bald schlachteten und kochten, gelangte in meinen Mund. Ich lag auf dem
Rücken und sah zu den Sternen hinauf. In glücklicheren Zeiten hatte ich es
geliebt, sie zusammen mit meinen Eltern zu betrachten. Da war der große
Trinkkürbis mit seinem leuchtenden Griff. Ich fragte mich, ob in diesem Moment
auch jemand in Bayo zu ihm hinaufsah.
    Fomba war wieder
eingeschlafen. Ich tat mein Bestes, nicht an seinen Füßen zu ziehen, und
richtete mich auf, um zu beten. Ich hatte nichts, um mein Haar damit zu
bedecken, betete aber trotzdem. Den Kopf gesenkt, fuhr ich mir mit den Daumen
hinter die Ohren. Allahu Akbar , sagte ich und legte meine rechte Hand
über die linke. Subhaana ala huuma wa bihmadika , weiter kam ich nicht. Einer der Männer
kam und schlug mich mit einem Stock. Ich musste mich wieder hinlegen und fiel
schließlich in Schlaf.
    Am nächsten Morgen
versuchte ich zwischen dem ersten Licht und Sonnenaufgang zu beten, und wieder
schlug mich einer der Männer. Abends ging es nicht anders, und ich gab es auf
zu beten. Ich hatte meine Mutter verloren. Meinen Vater. Mein Dorf. Ich hatte
keine Möglichkeit mehr, alle Gebete des Korans zu lernen, genau wie ich meine
heimlichen Möglichkeiten verloren hatte, lesen zu lernen. Ich versuchte die
Gebete in meinem Kopf zu murmeln – Allahu Akbar.
Subhaana ala huuma wa bihamdika. A’undhu billaahi minash shaitaan ar-Rajeem  –, aber es war nicht dasselbe. Nur im Kopf
zu beten, war nicht gut. Ich war nicht nur eine Gefangene, ich wurde auch eine
Ungläubige. Ohne richtig zu beten, konnte ich Allah nicht wirklich preisen.
    Wir gingen
viele Sonnen lang, wurden immer mehr und waren bald schon eine ganze Stadt
gefangener Menschen. Wir zogen an Dorf um Dorf vorbei, Stadt um Stadt. Jedes
Mal kamen die Leute herbeigelaufen, um uns anzustarren. Erst dachte ich, sie
würden kommen, um uns zu befreien. Sie mussten doch gegen diese ungeheuerliche
Ungerechtigkeit angehen, aber sie guckten nur und brachten unseren Fängern
manchmal gebratenes Fleisch, das sie sich mit Kaurischnecken und Salzstücken
bezahlen ließen.
    An manchen Abenden,
wenn wir uns auf Felder legen mussten, bezahlten unsere Fänger Dorffrauen
dafür, dass sie für uns kochten. Es gab Jamswurzeln, Hirse- und Maiskuchen und
manchmal eine heiße Pfeffersoße. Wir aßen in kleinen Gruppen, hockten um große
Schalen herum und löffelten uns das heiße Essen mit den gewölbten Fingern der
rechten Hand in den Mund. Während wir aßen, verhandelten unsere Fänger mit den
örtlichen Häuptlingen, die eine Bezahlung dafür wollten, dass wir ihr Land
überquerten. Jeden Abend handelten und stritten unsere Fänger bis in die Nacht.
Ich versuchte, sie zu verstehen, weil ich hoffte, so etwas darüber zu erfahren,
wohin wir gingen, und warum.
    Der Junge, der für die
Fänger arbeitete, kam oft und brachte mir Wasser und Essen. Ich verfolgte, wie
er die Anführer der Fänger davon zu überzeugen versuchte, die Kinder von den
Fesseln zu befreien und sie neben den zusammengebundenen Erwachsenen gehen zu
lassen. Nach ein paar Tagen wurde mir die Lederschlinge vom Hals genommen. Ich
nickte dem Jungen dankbar zu.
    Es gab ein kleines
Mädchen, das neben seinem Vater herlief und fast den ganzen Tag seine Hand
hielt. Es war noch sehr jung, vielleicht erst vier oder fünf Regenzeiten alt.
Manchmal, wenn die Kleine ihn anbettelte, nahm er sie auf den Arm. Einmal
versuchte das Mädchen, meine Aufmerksamkeit zu erregen, und wollte mit den
Händen Guck-Guck spielen. Ich wandte mich ab. Ich konnte es nicht ertragen, die
beiden zusammen zu sehen, und tat mein Bestes, ihnen nicht zuzuhören. Alles an
ihnen erinnerte mich an zu Hause.
    Der Junge, der für die
Fänger arbeitete, ging oft neben mir.

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