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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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müssen und es mich nicht nach einem anderen dürste. Er nahm meine Hand und
wandte sich mir zu, als könnte er mir tief in die Augen sehen. »Du bist ein
guter Mensch, Meena. So viele Menschen lieben dich.« Vielleicht war das ja so,
doch ich konnte es weder sehen noch fühlen. Ich wusste nur, dass mir alle Menschen,
die ich mehr als alles in meinem Leben geliebt hatte, entrissen worden waren.
    Ich begann wieder, in
Daddy Moses’ Messen zu gehen. Ich kann nicht sagen, dass sie viel verändert
hätten. Die Leute waren gut zu mir, brachten mir zu essen und blieben bei mir
sitzen, als sie begriffen, dass ich allein für mich nichts essen würde, sie
brachten mir frisches Holz, Äste und Nägel, wenn sie konnten, und halfen mir,
mein kleines Zuhause zu reparieren. Jason und Daddy Moses besuchten mich jeden
Tag. Als sie es arrangierten, begann ich wieder zu unterrichten, und obwohl ich
es nicht wirklich so empfand, versuchte ich doch wenigstens so zu tun, als
liebte ich die Kinder, denen ich die Buchstaben erklärte.
    Am Ende vermochte mich
auch Theo McArdle dazu zu überreden, dass ich wieder für ihn arbeitete, und ich
gab mir alle Mühe, mich für das zu interessieren, was ich da setzte. Wenn ich
allein war, las ich, was immer an Büchern mir McArdle beschaffte. Er fand sogar
eine Karte von Afrika, aber im Landesinneren gab es nur Zeichnungen von Bergen,
Löwen, Elefanten und Affen.
    Ungefähr ein Jahr
nachdem ich May verloren hatte, bekam ich eine kleine Lampe und zwei Liter
Walöl dafür, dass ich einer weißen Frau in Shelburne bei der Geburt ihres Babys
geholfen hatte. Es war das erste Baby, seitdem ich meines verloren hatte. Der
Schmerz meiner Verluste hat mich nie ganz verlassen. Die Glieder waren
abgetrennt und sollten mir für immer fehlen. Aber ich machte weiter. Irgendwie
machte ich weiter.

Elefanten, wo Städte fehlen
     
    Während der
nächsten vier Jahre vermochte ich nichts über May herauszufinden. Ich glaubte,
dass sie lebte, wusste aber genauso wenig darüber, wohin die Witherspoons
verschwunden waren, wie über das Verbleiben Chekuras. Shelburnes große Zeit war
gekommen und gegangen, und viele Loyalisten schlossen ihre Geschäfte und
kehrten in die Vereinigten Staaten zurück. Die Schwarzen blieben in Birchtown,
und ich blieb bei ihnen.
    Als ich mich meinem,
wie ich annahm, fünfundvierzigsten Jahr näherte, hatte ich nichts gegen die
silbernen Strähnen einzuwenden, die langsam mein Haar durchzogen, und es machte
mir auch nichts, eine Brille mit blau gefärbten Gläsern aufzusetzen, um die
Zeitung oder ein Buch zu lesen. Theo McArdle half mir, die Brille aus England
zu bestellen, nachdem er mir erklärt hatte, sie habe zwei Bügel und sei so
konstruiert, dass sie weder auf die Nase noch gegen die Schläfen drücke. Die
Brille kostete mich die Ersparnisse zweier Monate, aber ich hatte sonst wenig
Verwendung für das Geld, das mir übrig blieb. Ich hatte keinen Mann, keine
Kinder und kein Haus, nur die Hütte in Birchtown, die ich jeden Sommer so weit
erneuerte und verstärkte, dass ich durch den nächsten Winter kam. Zweimal hatte
ich die Möglichkeit, mit Daddy Moses und seinen Methodisten andere Gemeinden in
Neuschottland zu besuchen, lehnte aber beide Male ab. Ich lebte in der Hoffnung
auf die Rückkehr meiner Tochter und meines Mannes und wollte nicht gerade an
dem Tag weg sein, an dem sie kamen und nach mir suchten.
    Im Frühling 1790
drängten sich die Methodisten in Daddy Moses’ Kapelle, um einem Besucher aus
Annapolis Royal zuzuhören. Es war ein kleiner, stämmiger Mann, der etwas älter
als ich zu sein schien, und er redete mit so ausdrucksloser Stimme, dass einige
der Zuhörer einschliefen. Aber er schien etwas Wichtiges mitzuteilen zu haben,
und so schob ich mich in die erste Reihe, um ihn besser hören zu können.
    »Mein Name ist Thomas
Peters«, sagte er. »Vor vierzehn Jahren bin ich meinem damaligen Besitzer in
Nord-Carolina davongelaufen. Im Krieg habe ich den Engländern als Black Pioneer
gedient, und wer mir das nicht glaubt, kann herkommen und sich meine
Regimentspapiere ansehen. Ich bin so wie ihr alle: Vor sieben Jahren bin ich
nach Neuschottland gekommen und warte immer noch auf mein Land. Aber ich bin es
müde zu warten, und ich werde etwas unternehmen.«
    Thomas Peters sagte, er
sammle Geld, um nach England zu fahren. Dort, sagte er, hoffe er, mit
Mitgliedern des britischen Parlaments über die landlosen schwarzen Loyalisten
und die Fortsetzung der Sklaverei in

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