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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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aufgeworfene Lippen und
wilde, buschige Koteletten, war aber sauber rasiert. Er wollte zu Daddy Moses’
Gemeinde sprechen, und als sich daraufhin Hunderte in die kleine Kapelle zu drängen
versuchten, wurde das Ganze kurzerhand nach draußen verlegt. John Clarkson
stand mit dem Rücken zum Wasser und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Wir
scharten uns um ihn, mit Blick auf ihn und die Bucht.
    Clarkson hatte eine
hohe Stimme, aber sie war weithin vernehmbar. Alle standen reglos und stumm da,
um auch nicht ein Wort zu verpassen.
    »Reverend Moses, Ladies
und Gentlemen, mein Name ist John Clarkson, und ich bin Lieutenant der Royal
Navy. Ich bin jedoch nicht in militärischer Mission gekommen. Es geht um eine
zivile Angelegenheit, und zwar darum, jedem, der willens ist und die
Anforderungen erfüllt, eine Passage nach Sierra Leone in Afrika anzubieten.«
    Die Leute jubelten so
laut, dass Lieutenant Clarkson warten musste, bis sich der Lärm wieder legte.
Ich wunderte mich über seine Blässe und konnte eine blaue Ader in der Nähe
seiner Schläfe erkennen. Seine Augen waren voller Leben und schienen die Leute
aufmerksam zu studieren, während er darauf wartete, dass sie sich wieder
beruhigten. Sein Blick fiel dabei auch auf mich, wahrscheinlich war er am
Orange meines Kopftuches hängengeblieben. John Clarkson war blond, und sein
Haaransatz wich bereits zurück. Links und rechts reichten kahle Stellen unter
die wehenden Strähnen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und legte die
Hand über die Augen, als wäre er müde und hätte zu viel Arbeit.
    Als sich die Menge
wieder beruhigt hatte, sagte Clarkson, er sei in Wisbech geboren worden, einem
kleinen Hafen etwa neunzig Meilen von London entfernt. Für ihn und die Leute,
die er repräsentiere, sei der Sklavenhandel ein Schandfleck, den sie als
Christen zu bekämpfen hätten. Im Übrigen sehe er, dass vielen Negern, die den
Briten im Krieg gegen die aufständischen Kolonien gedient hätten, in
Neuschottland und Neubraunschweig Land und Lebensmöglichkeiten verweigert
würden.
    »Ich bin hier, um euch
heute zu sagen, dass ich von den zuständigen Behörden in England dazu
ermächtigt wurde, regierungstreuen Negern eine Passage in ein neues Leben in
Afrika anzubieten.«
    Clarkson machte denen,
die eine neue britische Kolonie in Sierra Leone gründen wollten, noch
zahlreiche weitere Versprechungen. Die »Abenteurer«, wie er sie nannte, würden
frei sein, ihre eigenen Geschäfte zu führen. Sie würden politische Gleichheit
genießen, ohne Ansehen ihrer Hautfarbe. Sie würden Saatgut erhalten, die
notwendigen Ackergeräte und Land, das sie ihr Eigen nennen könnten.
    »Hier haben wir auch
kein eigenes Land bekommen«, rief jemand.
    »Ich kann die Umstände
in Neuschottland nicht ändern«, sagte Clarkson, aber die Sierra Leone Company
biete allen eine freie Überfahrt in die Kolonie und dort dann eigenes Land an.
    »Wo liegt dieses Land,
das Sie Sierra Leone nennen?«, rief Daddy Moses.
    Clarkson fragte, ob er
eine Karte zeichnen solle. Alle wollten eine. »Ihr müsst allerdings wissen«,
sagte er mit einem Grinsen, »dass ich in der Schule durch den Kunstunterricht
gefallen bin.«
    »Genau wie wir«, sagte
Daddy Moses und erntete damit lautes Gelächter.
    Clarkson holte eine
Feder und etwas Papier aus seiner Tragetasche und zeichnete die Umrisse Afrikas
darauf. Es war ein langes Oval ohne die linke untere Ecke, und nördlich von der
Stelle, wo der Kontinent sich weit nach Westen dehnte, machte er einen dicken
Punkt und nannte ihn Sierra Leone. Westlich davon, sagte er, liege der
Atlantische Ozean, nordwestlich etwas, das er das »Wolof-Land« nannte.
Südöstlich folgten Orte, die man als Pfefferküste, Elfenbeinküste, Goldküste
und Sklavenküste kenne. Als er fertig war, wurde das Stück Papier
herumgereicht.
    Clarkson sagte: »Im
Kunstunterricht bin ich durchgefallen, aber bei der Navy musste ich einiges
über Karten lernen.«
    Mir gefiel die Wärme,
mit der Clarkson sprach, und mir gefiel auch, dass er sagte, viele von uns
könnten ihm weit mehr über Afrika beibringen, als er darüber zu sagen wisse.
    »Zeichnen Sie uns’n
Löwen«, rief jemand.
    »Aber der sieht am Ende
vielleicht eher wie ein Elefant aus«, erwiderte er.
    Als das Gelächter
verebbt war, wurde Clarkson wieder ernst. Er sagte, die Abenteurer auf dem Weg
nach Sierra Leone müssten allem unehrenhaften, anstößigen, unchristlichen und
unmoralischen Verhalten entsagen. Er zitierte direkt aus

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