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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Neuschottland reden zu können. Niemand von
uns erwartete ernsthaft, dass er damit Erfolg haben würde, aber alle gaben, was
sie konnten. Ich bewunderte Peters Entschlossenheit und gab ihm zehn
Schillinge. Nach dem Treffen half ich ihm, den Schluss seines, wie er es
nannte, »Mahnmals« zu schreiben. »Die armen Sklaven haben keine Freunde und
genießen keinen größeren Schutz durch die Gesetze der Kolonie … als das
einfache Vieh oder räuberisches Wild … und … die erdrückende Grausamkeit
und Brutalität ihrer Knechtschaft ist … besonders für die freien farbigen
Menschen erschreckend, entnervend und widerwärtig … die nicht begreifen
können, dass es tatsächlich die Absicht der britischen Regierung ist,
Ungerechtigkeit und Sklaverei in Neuschottland gutzuheißen.«
    »Ich verspreche dir«,
sagte Thomas Peters, als er mir dankte, »ich fahre nach England und werde dort
nicht einen Tag die Lage unseres Volkes vergessen.«
    Peters’
Unerschrockenheit und Ehrgeiz machten mir bewusst, wie schwach mein eigener
Wille geworden war. Es hatte eine Zeit gegeben, da ich nichts mehr gewollt
hatte, als nach England zu fahren, um von dort einen Weg zurück nach Afrika zu
finden, aber jetzt wollte ich nicht mehr weg. Ich stopfte Moos in die Lücken in
Wänden und Dach, um den Wind aus meiner Hütte zu halten, holte Holz aus dem
Wald und hielt meinen Ofen auch die Nächte hindurch unter Feuer. Ich hatte kaum
mehr als meine Hütte und mühte mich jeden Tag neu, sie für Chekura und May
trocken und sauber zu halten. Sollten sie je zurückkommen, wollte ich sie mit
der Behaglichkeit meines Heims auf ewig bei mir halten. Ich suchte Ablenkung in
der Arbeit, aber die Erinnerung an Chekura und May lag wie ein Schatten auf
mir.
    In Birchtown dachte
bald schon kaum mehr jemand an Thomas Peters, doch er kam im nächsten Jahr
zurück, um uns zu sagen, dass er in England gewesen sei und ein paar Weiße
getroffen habe, die uns nach Afrika zurückschicken wollten. Es schien lachhaft.
Er konnte uns keinerlei Einzelheiten nennen, um die Geschichte zu untermauern,
und keiner von uns glaubte ihm. Er versprach jedoch, dass wir bald schon
Näheres hören würden.
    Ein paar Tage später
dann las ich in der Royal Gazette eine Mitteilung vom Vorsitzenden und
den zwölf Direktoren der Sierra Leone Company in London, England, die mit der
Zeile »Freie Siedlung an der Küste Afrikas« überschrieben war.
    In der Mitteilung hieß
es, die Sierra Leone Company sei willens, freie Neger in ihre afrikanische
Kolonie aufzunehmen, die Zeugnisse ihres Charakters vorzulegen vermöchten,
»insbesondere zu ihrer Ehrbarkeit, Enthaltsamkeit und ihrem Fleiß«. Weiter
stand da, jeder »freie Schwarze«, der ein solches Zeugnis beibringe, werde
zwanzig Morgen Land für sich selbst, zehn für seine Frau und je fünf für jedes
Kind bekommen. Schwarze und Weiße hätten in Sierra Leone die gleichen
bürgerlichen, militärischen, persönlichen und wirtschaftlichen Rechte, und es
sei gegen das Gesetz, wenn die Sierra Leone Company selbst Sklaven hielte oder
sich am Handel und Verkauf von Sklaven beteiligte.
    Nachdem ich die
Nachricht einigen Bewohnern von Birchtown vorgelesen hatte, musste ich sie auch
anderen vorlesen, wieder und wieder. Ich las sie in der Methodistenkapelle von
Daddy Moses und in der Baptistenkirche. Ich las sie, wo immer die Leute sie
hören wollten. So oft las ich sie vor, dass ich sie bald schon auswendig
konnte. Trotzdem verstand ich immer noch nicht, wer nun nach Afrika fahren
durfte, wie er dorthin kam und für die Reise bezahlen sollte, wer hinter der
ganzen Sache steckte und warum sie angeboten wurde. Alle fragten mich, wo
Sierra Leone liege, aber auch das wusste ich nicht.
    Im Übrigen stellten wir
bald schon fest, dass es nicht ratsam war, öffentlich über die Sache zu
sprechen. In Shelburne schlugen drei Männer einen schwarzen Fassbinder
zusammen, der mit einem Exemplar der Gazette unter dem Arm ein Kaffeehaus betreten
hatte. Einige Leute in Birchtown fürchteten, dass all das Gerede über ein
mögliches Umsiedeln nach Afrika am Ende nur den Weißen als Entschuldigung für
erneute Ausschreitungen gegen die Neger dienen würde.
    Ein paar Tage später
kam ein Engländer namens John Clarkson in die Stadt geritten. Er trug die
Uniform eines Lieutenants der Royal Navy und sah noch jung aus. Ich war in dem
Jahr sechsundvierzig, und er kam mir etwa halb so alt vor, wirkte aber trotz
seines Jungengesichts ernst. Er hatte eine kleine Nase,

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