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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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stand. Ich hatte tagsüber immer nur ein paar Minuten frei, und
so frühstückte ich gern allein in meinem Zimmer und las dabei die Zeitung.
Henry Millstone, der das Gasthaus im Hotel führte, brachte mir morgens um
sieben die Royal Gazette und eine Schüssel Fischsuppe. Dabei war
er stets für einen kurzen Schwatz aufgelegt.
    »Lieutenant Clarkson
sagt, Sie sind die gebildetste Schwarze, die ihm je begegnet ist«, sagte Mr
Millstone. »Stimmt das?«
    Nach und nach lernte
ich etwas Faszinierendes über die weißen Leute. Es schien ganz so, dass sie
entweder mein Lob singen oder mich aus der Stadt jagen wollten, und manchmal
hatte ich Schwierigkeiten, mich von der einen Sorte auf die andere umzustellen.
    »Es gibt durchaus
gebildete Neger, Mr Millstone, und mit der Zeit werden es in Neuschottland
immer mehr werden, da man ihnen das Lesen- und Schreibenlernen nicht mehr
verbietet.«
    »Ich hätte nichts
dagegen, es mit ihnen zu lernen«, sagte er mit einem Lachen. »Sie fahren also
mit den anderen nach Guinea?«
    »Nach Afrika«, sagte
ich.
    »Ja, das meine ich.«
    »Im Moment helfe ich
dem Lieutenant.«
    »Ist ein gefährliches
Eck, dieses Afrika«, sagte er.
    Ich legte meinen
Suppenlöffel zur Seite und sah ihn an. »Genau wie Neuschottland.«
    Ein paar Tage nach
meiner Ankunft in Halifax klopften abends spät noch drei Neger an meine
Zimmertür. Sie hatten gerade einen fünfzehntägigen Marsch aus den Wäldern von
Saint John hinter sich gebracht. Ein Agent hatte ihnen dort die Registrierung
für die Abreise versagt und sie nicht auf das Schiff nach Halifax gelassen,
sodass ihnen nichts übrig geblieben war, als über Land zu marschieren und
darauf zu hoffen, dass die Schiffe nach Afrika noch nicht weg waren. Clarkson
gab seine Zustimmung, die Männer zu registrieren.
    Innerhalb einer Woche
trafen weitere hundert frierende, hungrige Neger zu Fuß in Halifax ein. Ich sah
Männer ohne Mäntel, Frauen mit zerrissenen Decken um die Schultern und Kinder
ohne alle Kleider. Zusammen mit den Leuten von den Schiffen aus Shelburne und
Annapolis Royal warteten Mitte Dezember mehr als tausend schwarze Abenteurer
auf ihre Abreise nach Afrika.
    Clarkson brachte die
Leute in Lagerhäusern am Wasser unter, besorgte Decken, damit sie nachts nicht
froren, und stellte Dutzende Frauen ein, die jeden Abend große Kessel Essen
kochten. Er arbeitete den ganzen Tag und die Hälfte der Nacht, kaufte zwischen
den langen Stunden im Hafen Kleider für die Nackten und sorgte für medizinische
Hilfe für die Kranken. Während ich die Neuschottländer instruierte, was sie mit
nach Sierra Leone nehmen durften – nicht mehr als einen Hund pro sechs
Familien, Geflügel, aber keine Schweine, Kisten mit Kleidung, aber keine Tische
und Stühle –, kümmerte sich Clarkson um den Proviant für die Schiffe. Er sprach
unablässig von der Gesundheit der reisenden Neger, ließ Pech kochen, die Decks
mit Essig abschrubben und die Schlafquartiere so umbauen, dass sie mindestens
anderthalb Meter hoch waren. Er hängte sogar einen Reiseplan aus, um den
Abenteurern zu versichern, dass sie genug zu essen bekommen würden. Zum
Frühstück und am Abend würde es indisches Essen mit Sirup und braunem Zucker
geben, mittags gepökelten Fisch, gepökeltes Schwein oder Rind, und dazu
Steckrüben, Erbsen oder Kartoffeln.
    Clarkson ließ fast
zweihundert Truthähne schlachten, ausnehmen und für ein Festmahl am
Weihnachtstag zubereiten. Dazu bekam jeder Mann und jede Frau eine Tasse Bier
oder Wein. Während des Essens ging er mit mir von Lagerhaus zu Lagerhaus, um zu
den Abenteurern zu sprechen. Er betete mit den Menschen und wiederholte seine
»Regeln und Vorschriften für freie schwarze Menschen, die sich nach Sierra
Leone einschiffen«. Gewöhnlich behandelte er individuelle Personen mit Respekt
und Geduld, ging es jedoch um ganze Gruppen, hatte er die Tendenz, wie zu
Kindern zu sprechen. Ich zuckte innerlich zusammen, als er die versammelten
Reisenden ermahnte, der Anbetung Gottes ausreichend Zeit zu widmen, sich in der
Ausdrucksweise zu mäßigen, um Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, und
sich nicht mit den Seeleuten anzufreunden. Aber keiner der Neger hatte etwas
gegen seine Ermahnungen einzuwenden. Sie verehrten den Mann, der sie nach
Afrika führte.
    Gouverneur Wentworth
und seine Frau luden Clarkson und mich zum Weihnachtsessen ein. Als wir ihr
palastartiges Anwesen betraten, flüsterte mir Clarkson zu, das Regierungshaus
habe zwanzigtausend Pfund

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