Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
Vom Netzwerk:
gekostet und dass man mit dem Geld tausend schwarzen
Arbeitern ein Jahr lang hätte Arbeit geben können. Wir trafen auf sechzehn
weitere Gäste. Mrs Wentworth war eine laute, Zigarre rauchende Frau, und wir
hatten kaum zu essen begonnen, als sie das Gespräch auf die Auswanderung
brachte.
    »Ich muss sagen,
Lieutenant, Sie stellen da ein ziemliches Unternehmen auf die Beine.«
    »Es bedeutet den Negern
sehr viel«, sagte Clarkson.
    »Glauben Sie ernsthaft,
dass es ihnen in den Tropen besser gehen wird?«
    Ich war es leid, die
Weißen diskutieren zu lassen, als wäre ich nicht anwesend, und so meldete ich
mich zu Wort: »Wir haben acht Jahre auf Land gewartet, und die meisten von uns
haben immer noch nichts.«
    »Jeder Neuschottländer
kennt Geschichten über Verzögerungen bei der Landzuteilung«, sagte die Frau des
Gouverneurs. »Nicht nur die Schwarzen rufen nach Ackerland.«
    »Es geht um mehr als
nur das Land«, sagte ich. »Es geht um die Freiheit. Wir Neger wollen unser
eigenes Leben leben, aber hier verdorren wir.«
    »Ihr nehmt unsere
Unterstützung und unsere Zuteilungen, wie es euch gefällt«, sagte sie. »Das
klingt nicht nach Verdorren für mich …«
    Gouverneur Wentworth
unterbrach sie. »Da wir von der Freiheit reden, möchte ich mein Glas auf Seine
Majestät, den König, erheben.«
    Nachdem Obst und Käse
serviert worden waren, erschien ein Butler, der den Gästen das Government House
zeigen wollte. Clarkson und ich folgten einigen anderen endlose Treppen hinauf
und hinunter und in zahllose Räume voller Porträts. Aber nur der Kartenraum
interessierte mich. Der Butler sagte, hier gebe es Karten von jedem
erdenklichen Ort der Welt. Als der Tross weiterzog, blieben Clarkson und ich
zurück. Ich blätterte durch einen dicken Stapel, während sich Clarkson
beschwerte, das Essen sei reine Zeitverschwendung gewesen.
    »Ich bezweifle, dass
Sie am Weihnachtstag viel hätten erledigen können«, erwiderte ich.
    Clarkson sagte, die
Schiffe seien immer noch nicht fertig ausgerüstet und er suche einen
Schiffsarzt. Er habe Wentworth gefragt, ob er einen der königlichen Ärzte aus
Halifax mit auf die Fahrt nach Sierra Leone nehmen könne, doch der Gouverneur
habe abgelehnt. Clarkson schluckte vor Zorn, als er die Situation beschrieb.
Ein einziger Arzt für ein Flottille von fünfzehn Schiffen, das sei absolut
nicht ausreichend. Was, wenn die Schiffe während der Überfahrt getrennt würden?
Was nütze ein Arzt auf einem Schiff, wenn auf einem anderen jemand sterbe?
    »Er will einfach nicht,
dass ich Erfolg habe«, sagte Clarkson. »Er hätte es lieber, wenn die freien
Schwarzen hierblieben, um zu beweisen, dass sie in Neuschottland zufrieden und
ihre Beschwerden über schlechte Behandlung ohne eine Grundlage sind.«
    Clarkson atmete heftig
und gestikulierte wild mit den Armen. Ich setzte mich einen Moment lang mit ihm
hin, und es gelang mir, ihn zu beruhigen, indem ich ihn dazu anhielt, ruhig und
gleichmäßig zu atmen. Als er ging, um mit den anderen Gästen noch ein Glas zu
trinken, hatte ich die Karten für mich.
    Jemand hatte sich die
Mühe gemacht, sie nach Gegenden zu ordnen: das britische Nordamerika,
Neuschottland, die dreizehn Kolonien, England, Jamaika und Barbados sowie
Guinea.
    Ich zog die erste Karte
aus der Mappe mit der Aufschrift Guinea und breitete sie im Schein zweier
Kerzen auf dem Tisch aus. Sie zeigte die typischen Zeichnungen halbnackter
afrikanischer Männer und nackter Frauen, wie gewohnt neben Pavianen und
Elefanten.
    Ich griff erneut in die
Guinea-Mappe und stieß auf ein Stück Papier mit verschnörkelter Handschrift:
»Zitiert nach: Über Dichtung: Eine Rhapsodie , von Jonathan Swift, 1733.« Und dann
las ich diese Zeilen:
    So geographers, in Afric-maps,
    With savage-pictures fill their gaps;
    And o’er unhabitable downs
    Place elephants for want of towns.
    So füllen Geografen, auf den Afrika-Karten,
    Ihre Lücken mit Bildern von wilden Arten,
    Und auf unbewohnbare Hügelwellen
    Setzen sie Elefanten, wo Städte fehlen.
    Elefanten
statt Städte. Es tröstete mich, dass Swift vor fast sechzig Jahren, noch bevor
ich geboren worden war, genau das ausgedrückt hatte, was ich heute empfand. Das
waren keine Afrika-Karten. Die kunstvoll gezeichneten Elefanten und die Frauen
mit ihren mächtigen, unwirklich grüßenden Brüsten sagten mit jedem Federstrich,
dass die Kartenzeichner kaum etwas über mein Land zu sagen hatten.
    Ich zog eine Karte nach
der anderen hervor, aber sie waren alt

Weitere Kostenlose Bücher