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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Stadt herüber, die etwa eine halbe Meile entfernt
lag, dazu hörte man die Seeleute durch die Straßen wanken, singen und
zusammenbrechen, und Siedler palaverten und stritten darüber, wer nun wieder
wessen Ente geschlachtet oder welcher Frau schöne Augen gemacht hatte. Man
hörte, wie sich Männer mit Männern schlugen, wie sie Frauen verprügelten, und
ja, auch, wie Frauen Männer verprügelten. Und über all dem Lärm schwebten die
Gebete und Hallelujas der Kirchgänger.
    Ein Neuschottländer
namens Cummings Shackspear hatte reichlich Vorräte aus Halifax mitgebracht,
darunter sieben Fässer Rum. Ich habe nie herausgebracht, wie er den ganzen Rum
vor der Abreise zusammenbekommen und unter welchen falschen Angaben er die
Fässer an Bord hatte bringen können, auf jeden Fall stammten sie von den besten
Fassbindern aus Halifax und er verfügte über eine riesige Menge Rum, als er
zwei Straßen vom Wasser entfernt ein Wirtshaus eröffnete. Einige Kirchgänger
liefen direkt zu ihm und seinen Fässern, wenn sie schwitzend und erschöpft aus
der Messe kamen. Nicht so viele verließen das Wirtshaus, um in die Kirche zu
gehen.
    Cummings verlängerte
seinen Rum nicht schlimmer als die Company und verkaufte ihn glasweise. So nahm
er genug Geld ein, um für Nachschub zu sorgen, und nabelte sich von der
Versorgung der Company ab, die unerhörte Abgaben von ihm verlangte und ihm den
Rum sowieso nur widerwillig verkaufen wollte. Es gab so viele Schiffe, die im
Hafen vor Anker gingen – Handelsschiffe, Sklavenschiffe, britische
Kriegsschiffe –, dass sich Cummings auch ohne die Company ausreichend Rum
beschaffen konnte. Meist zahlte er dafür mit Dingen, die er von den
Temne-Händlern bekam, mit Elfenbein, Gabanholz oder gelegentlich sogar Kisten
voll Ananas, Trinkwasser, Ziegen, Geflügel und Ähnlichem. Direkt hinter seinem
Wirtshaus baute er ein Lagerhaus für seine Waren und stellte einen eingeborenen
Temne ein, um es nachts zu bewachen. Sein Wirtshaus wurde als »Shackspear’s
Book« bekannt, und sein Ruf verbreitete sich unter den Seeleuten, die zu ihm
strömten, sobald sie von ihren Schiffen kamen.
    Cummings Geschäfte
gingen so gut, dass er nicht mehr vom guten Willen der Company abhängig war und
sich aus dem Ringen der Siedler mit ihr heraushalten konnte. Solchen Luxus
konnten sich jedoch nur wenige leisten.
    Ich hatte nie einen
besonderen Geschäftssinn besessen, und die Dienste, die ich anzubieten hatte –
Lese- und Schreibunterricht abends im Hinterzimmer meines Hauses, medizinische
Versorgung der Kranken, die mich vor allem deshalb brauchten, weil die Ärzte
der Company im Allgemeinen betrunken waren oder im Sterben lagen –, brachten
mir nicht viel ein, aber zumindest war ich durch sie nicht völlig von den
Engländern abhängig. Morgens unterrichtete ich immer noch an der Schule der
Company.
    König Jimmy und sein
Volk lebten etwa eine halbe Meile von Freetown entfernt, und nach etwa einem
Jahr war mir klar, dass er John Clarkson unter Druck setzte und für die Nutzung
des Temne-Landes bezahlt werden wollte. Niemand hatte es uns vor unserer
Ankunft in Sierra Leone gesagt, aber langsam dämmerte mir, dass König Jimmys
Leute die frühere Kolonie schwarzer Siedler aus England geplündert und
niedergebrannt hatten und die Bedingungen nicht akzeptierten, unter denen die
Briten, wie sie behaupteten, das afrikanische Land gekauft hatten. König Jimmys
beliebtestes Druckmittel bestand darin, nachts Dutzende Kanus voller Krieger an
unserem Küstenstrich vorbeizuschicken und sie schreien, brüllen und ihre
Trommeln schlagen zu lassen. Das ängstigte die Neuschottländer zu Tode, die
Clarkson anflehten, ihnen mehr Gewehre zu geben. Ich selbst mochte das
Trommeln. Es gefiel mir, wie sein Gesang über die St. George’s Bay klang und in
meinem Körper nachhallte. Es gab mir das Gefühl, meinem Zuhause näher zu
kommen. Geh und suche dein Dor f, schien es mir zuzurufen. Geh zu deinen Leuten .
    Eingebettet zwischen
der sandigen Küste und den Bergen, war unser neues Freetown genau der Ort, an
dem die meisten Neuschottländer bleiben wollten. Es war der einzige Ort, an dem
sie sich sicher fühlten, der einzige Ort, an dem sie dachten, vorankommen zu
können. Für mich jedoch war Freetown nur eine Brücke. Während ich mit den Temne
Handel trieb und ihre Sprache lernte, träumte ich von meinem eigentlichen
Zuhause. Und ich plante meine lange Reise über Land, eine drei Monde dauernde
Wanderung bis ins Dorf meiner

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