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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Außenbezirken
niederließen, Arbeit in der Stadt fanden und schließlich selbst ins Zentrum
zogen. Keiner der Neuschottländer Freetowns wurde je verschleppt, und über die
Jahre war es einigen Gefangenen gelungen, aus den Sklaventrupps oder den Kanus
zu fliehen, und sie fanden Zuflucht in unserer Mitte.
    Der Fulbe Alassane
tauchte nur einmal im Jahr auf Bance Island auf, manchmal auch nur alle zwei
Jahre, und die Verhandlungen mit ihm zogen sich hin, bis er einwilligte, mich
für drei Fässer Rum nach Ségou mitzunehmen, die Stadt am Joliba, die nur wenige
Tagesmärsche von Bayo entfernt lag.
    Der Gouverneur der
Company schickte mir eine kleine Schaluppe, in der mich ein paar Freunde zum
Abschied bis nach Bance Island begleiteten. Debra und ihre Tochter Caroline,
Daddy Moses, Anna Maria und Alexander Falconbridge fuhren mit mir quer durch
die Bucht und den Fluss hinauf.
    »Wenn ich dir jede
Woche eine englische Zeitung und ein neues Buch anböte«, fragte mich Anna Maria
in der Schaluppe, »würdest du dann auf deine Idee verzichten?«
    »Nein«, sagte ich mit
einem Lächeln.
    »Was immer du dort tief
im Landesinneren findest«, sagte Anna Maria, »eine Zivilisation, die sich mit
der englischen vergleichen könnte, wird es nicht sein.«
    »Wenn ich nach England
wollte«, erwiderte ich ihr, »wäre ich mit John Clarkson gefahren. Ich suche
mein Volk. Ich will nach Hause.«
    Debra umarmte mich,
dann Caroline, die jetzt sieben Jahre alt war und mich täglich an die Kinder
denken ließ, die ich verloren hatte. Ich fragte mich, ob May wohl noch lebte
und wie ihr Lächeln aussehen mochte. Ich hätte mein Leben, meine Zukunft und
auch diese Reise dafür gegeben, sie in die Arme schließen und ihr Gesicht sehen
zu können. Aber das war unmöglich, und es gab nur einen Ort, an den ich noch
wollte.
    Daddy Moses umarmte
mich ebenfalls, als ich die Schaluppe verließ.
    »Ich werde nicht mehr
lange in dieser Welt weilen, Meena. Ich wünsche dir eine gute Reise nach Hause.
Auch ich werde bald heimkehren, aber ich denke, meine Reise wird weniger
ereignisreich sein als deine.«
    »Bete für mich«, sagte
ich.
    Zum Abschied schenkte
mir Caroline im Namen all meiner Freunde einen wilden Strohhut mit einer blauen
Pfauenfeder, die steil zum Himmel aufragte. Wir lachten alle, weil jeder meine
Schwäche für Hüte und Tücher kannte.
    Debra sagte: »Der wird
dir auf deiner Reise die Würde erhalten.«
    Caroline bedeutete mir,
mich zu ihr hinunterzubeugen, damit sie mir etwas ins Ohr flüstern konnte.
»Mama und ich haben hinten in den Hut fünf Goldguineen eingenäht. Für den Fall,
dass du sie brauchst.«
    Ich trat aus der
Schaluppe und winkte meinen Freunden zu, bis sie außer Sichtweite waren.
Wahrscheinlich würde ich sie nie wiedersehen. Einen Moment lang stand ich da
und musste an all die Menschen denken, die ich auf meinen Wanderungen hinter
mir gelassen hatte. Gezwungenermaßen oder freiwillig. Dann ging ich die
Sklaveninsel hinauf, von der ich vor dreiundvierzig Jahren verschifft worden
war.
    Alassane kam mit zehn Kanus
und fünfzig Sklaven. Er lud die Gefangenen aus, verhandelte mit Armstrong,
trank Tee mit ihm, besiegelte den Handel mit einem Handschlag und erhob sich.
    »Wir brechen auf«,
sagte er zu mir auf Temne.
    »Und ich kehre, so Gott
will, nach Hause zurück«, erwiderte ich.
    »Alhamdidilay« , sagte er. So Gott will.
    Im meinem Magen rumorte
es, und ich wünschte, ich wäre zwanzig Jahre jünger.
    Alassane bedeutete mir,
mich zu ihm ins vorderste Kanu zu setzen. Die Ruderer brachten uns
flussaufwärts an zwei Sklavenumschlagplätzen vorbei, Außenposten von Bance
Island. In den zehn Kanus saßen achtzig Ruderer und jeweils ein Steuermann. Es
gab einen Trommler für alle und einen Führer, der von Alassane instruiert
wurde. Vor Einbruch der Nacht wurden Rum, Gewehre, Munition, Eisenbarren,
Baumwollstoffe und indische Seide aus den Kanus geladen, und Alassanes Männer
gaben meine drei Fässer dem örtlichen Häuptling, der uns am Ufer erwartete.
Alassane und der Häuptling verhandelten über den Rum und schienen am Ende beide
zufrieden. Der Rum, den Alassane auf Bance Island bekommen hatte, befand sich
in kleineren, unten flachen Fässchen, die sich auf dem Kopf tragen ließen.
    Zwanzig der Ruderer
wurden zu Rumträgern. Sie legten sich dicke geflochtene Matten auf die Köpfe
und balancierten die Fässchen darauf. Die Gewehre, die Munition, die Seide und
die anderen Waren wurden zusammengebunden oder in große

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