Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
Vom Netzwerk:
erzählte, der einen Vogel hielt, mit Leckereien
fütterte und ihm die Sprache der Toubabu beibrachte. Ich erzählte von den
Kriegen zwischen den weißen Männern in Amerika, davon, wie wir in Neuschottland
betrogen worden waren, und am Ende von unserer Fahrt nach Sierra Leone und
meiner vergeblichen Suche nach meinem Zuhause.
    Es ist mir nicht
gelungen, nach Bayo zurückzukehren, aber einen Monat lang war ich in einem
kleinen Dorf voller Fremder die Geschichtenerzählerin, die Djeli, die ich immer
hatte werden wollen.
    Am Ende kehrte meine
Kraft in mich zurück. Ich ging mit den Frauen auf die Hirsefelder und zerstieß
die Körner in einem Mörser. Ich saß bei den Frauen, als sie den Indigo aus den
Pflanzen gewannen, und rührte in großen Bottichen, gerade so, wie ich es auf
St. Helena Island getan hatte. Sie färbten ihre Stoffe in Blau- und Lilatönen.
Als es Zeit zum Abschied war, nahm ich etwas von dem Stoff als Geschenk und
kleidete mich, wie sie sich kleideten. Ich fragte, wie ich zurück zur Küste
finden würde, und wie sich herausstellte, war es nicht schwierig, einen Führer
zu finden. Und so machte ich meine letzte Entdeckung.
    Es war fast unmöglich,
ins Innere Afrikas zu gelangen, aber leicht, wieder hinausgebracht zu werden.

Die
große Djeli der Akademie
    {London, 1802}
    Wolken
verdunkelten den Himmel, als wir uns England näherten. Heftige, bedrohliche
Wellen warfen das Schiff und uns alle mit ihm hin und her. Ich verlor meinen
Appetit, aß tagelang nichts und war ungewöhnlich mutlos, vielleicht weil mir
die Entschlossenheit fehlte, wieder an einen neuen Ort zu gelangen. Ich fühlte
mich müde und alt.
    Ich hätte auch in
Freetown bleiben können. Zwar hatten da einige Neuschottländer zu den Waffen
gegriffen, um von der Company Land und das Recht auf Selbstbestimmung zu
ertrotzen, aber wenigstens war das Klima warm und Freunde hatten angeboten,
sich um mich zu kümmern. Stattdessen aber fuhr ich ein letztes Mal über den
Ozean, um den Abolitionisten zu helfen. Während der Zeit in Amerika hatte ich
so oft nach London gewollt, um von dort aus nach Afrika zu gelangen. Nie wäre
es mir in den Sinn gekommen, dass ich umgekehrt über Afrika nach England fahren
würde. Mit mir an Bord der Sierra Leone Packet war ein Botaniker namens Hector
Smithers, der Kisten voller Insekten, Reptilien und anderer Tiere mit sich
führte, in Rum konserviert, darüber hinaus aber auch einige lebende Spezies:
eine Schlange, zwei Ratten, eine Antilope, ein männliches Wildschwein und einen
kleinen Leoparden. Und sogar eine Kiste voller Sand und Termiten.
    Ich verbrachte die
letzte Woche der Reise in meiner Koje, Smithers Kreaturen ging es jedoch weit
schlechter. Am Ende hauchten alle bis auf die Termiten ihr Leben aus. Smithers
verpflichtete fünf Seeleute, ihm dabei zu helfen, die toten Tiere auszuweiden
und in riesigen Fässern mit Rum zu konservieren. Während er sich beeilte, für
seine geplante Ausstellung in London zu retten, was zu retten war, hoffte ich
darauf, wenn meine Zeit einmal kam, an einem stillen Ort begraben zu werden.
Weder der Ozean noch ein Fass Rum wollten mir als letzte Ruhestätte behagen.
    Ich hatte
vergessen, dass es auch arme Weiße gab. Das lag an den langen Jahren in Sierra
Leone. Die Weißen in Freetown arbeiteten sämtlich für die Company, lebten mit
ihren Frauen in den besten Häusern und bekamen die besten Gehälter und die
schmackhaftesten Lebensmittel. Aber England. Oh, England. Ich sah einen
verkrüppelten Mann mit einem groben Stock als Krücke, der die Hand ausstreckte,
sah bettelnde Blinde und an allen Ecken lahme Frauen mit rotznäsigen Kindern.
Es kam mir so vor, als hätte jeder zweite Engländer einen schwarzen, faulenden,
entzündeten Zahn. Ich sah zitternde, für die Kälte viel zu dünn angezogene
Menschen, sah sie husten, niesen, spucken und sterben. Männer in zerrissenen
Kleidern mussten zur Seite springen, wenn Pferde und Kutschen auf sie
zuhielten, und manchmal landeten sie in stinkenden Gräben. Schreie, Drohungen
und Schimpfkanonaden füllten mir die Ohren. Beißend scharfer Rauch lag in der
Luft, es stank nach verrottendem Gemüse und Fleisch, das aus Ladentüren flog.
Überall liefen Hausierer herum und verkauften Zeitungen, Tabak, Pfeifen,
Schnupftabak, Wein und Zuckerstücke.
    John Clarkson und sein
Bruder Thomas holten mich aus Gravesend ab. Ich hatte John seit acht Jahren
nicht gesehen. Die beiden Brüder schüttelten mir herzlich die Hände, setzten
mich in

Weitere Kostenlose Bücher