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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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Alassanes Worten keine Sehnsucht
mehr nach Bayo, nur die Entschlossenheit, frei zu bleiben, und während ich mich
in der Hütte dieser Menschen erholte, die ich nicht einmal kannte, und darauf
wartete, dass ich wieder zu Kräften kam, verabschiedete ich mich von dem
größten meiner Wünsche. Ich würde nie nach Hause zurückkehren.
    Falconbridge hatte
meinen Handel mit den Sklavenhändlern einen »Pakt mit dem Teufel« genannt. Er
hatte recht gehabt und sich nur darin getäuscht zu sagen, dass das immer noch
besser als überhaupt kein Pakt sei. Ich hatte mein Leben einem Mann anvertraut,
der Menschen verkaufte, als wären es Ziegen, und er würde mich genauso
verkaufen wie all die anderen, die er gekauft und verkauft hatte. Und ich hatte
ihm bei seiner Arbeit auch noch geholfen, hatte mich ihm selbst angeboten und
für sein Tun sogar bezahlt. Wer wusste, wie viele Menschen meine drei Fässer
Rum wert waren? Eher wollte ich Gift schlucken, als noch einmal zwanzig Jahre
im Besitz eines anderen Mannes zu sein, ob er nun Afrikaner oder ein Toubab
war. Ich konnte ohne Bayo leben, aber ohne meine Freiheit würde ich sterben.
    Einige Tage,
nachdem ich erneut zu essen begonnen hatte, brachten mich die Dorfbewohner auf
einen Versammlungsplatz und stellten mich dem Obersten eines anderen Dorfes
vor.
    »Ist es wahr, dass du
den Ozean in einem Toubabu-Kanu überquert und bei ihnen gelebt hast?« Der Mann
schien für alle zu sprechen.
    »Ja.«
    »Kannst du es
beweisen?«
    »Wie sollte ich das tun
können?«, fragte ich.
    »Lass uns etwas in der
Sprache der Toubabu hören«, sagte der Mann.
    Ich holte Olaudah
Equianos Buch hervor und las ihnen eine Passage daraus vor.
    »Der Teil Afrikas, der unter dem Namen Guinea
bekannt ist und in dem der Sklavenhandel betrieben wird, umfasst einen
Küstenstreifen von etwa dreitausendvierhundert Meilen, vom Senegal bis nach
Angola. Verschiedene Königreiche gehören dazu. Eines der bedeutungsvollsten ist
Benin … Ich wurde dort im Jahre 1745 geboren. Die Entfernung … zur Küste
musste beträchtlich sein, denn ich hatte nie von weißen Männern oder Europäern
gehört, auch nicht vom Meer …«
    Ein Murmeln ging durch
die Menge. Die Leute drängten sich näher heran. Der Mann hob die Hand.
    »Jetzt sag uns, was das
bedeutet«, sagte er.
    Ich erklärte ihnen,
dass Equiano ein Afrikaner sei, der verschleppt und ins Land der Toubabu
gebracht worden sei, dass er aber überlebt, seine Freiheit wiedererlangt und
ein Buch über sein Leben geschrieben habe.
    »Ist er nach Hause
gekommen, um die Leute zu töten, die ihn gefangen und verkauft haben?«, fragte
der Mann.
    »Nein«, sagte ich.
    »Was für eine Art Mann
ist er dann?«
    »Ein Mann mit einem
schweren Leben, der über viele Ozeane und durch noch mehr Länder gekommen ist,
ohne die Zeit, seine Feinde zu töten, denn sie waren weit, weit weg. Er war
immer zu sehr damit beschäftigt zu überleben, als dass er sich um seine Feinde
hätte kümmern können.«
    Der Dorfoberste summte,
was, wie ich wusste, ein Zeichen seiner Befriedigung war. Die Kinder hinter ihm
schubsten sich hin und her, um näher heranzukommen.
    Ich wurde gefragt, wo
mein Mann und meine Kinder seien. Es hatte nicht geholfen, dass ich Alassane
gesagt hatte, sie seien in Bayo, und so blieb ich diesmal bei der Wahrheit. Ich
sagte, die Toubabu hätten mir meine Kinder gestohlen, und dass mein Mann im
Meer ertrunken sei.
    »Und wie sieht dieses
Meer genau aus?«, fragte der Dorfoberste.
    »Wie ein Fluss, der nie
aufhört.«
    »Und wie hießen dein
Mann und deine Kinder?«
    »Chekura, Mamadu und
May«, sagte ich.
    »Und wie waren die
Namen deiner Eltern in dem Dorf, das du Bayo nennst?«
    »Mamadu Diallo, der
Schmuckmacher, und Sira Kulibali, die Hebamme.«
    Die Leute lachten und
stießen laute Rufe aus, als sie die Namen hörten. Erst war ich verblüfft, doch
dann begriff ich, dass sie ihre Freude darüber ausdrückten, Namen zu hören, die
vertraut klangen.
    Der Dorfoberste hatte
noch viel mehr Fragen. Was meinte ich mit der Feststellung, dass nicht alle
Toubabu Teufel seien, und wie könne es möglich sein, in einigen von ihnen etwas
Gutes zu sehen?
    Ich antwortete mit
einer Gegenfrage: »Kennt ihr das menschliche Herz nicht?«
    Am Ende war ich
erschöpft, blieb aber noch, um mit einem Dorfältesten namens Jussuf zu
sprechen. Ich sagte ihm, dass ich zurück zur Küste wolle.
    »Nein«, sagte er, »du
musst bleiben. Du wirst eine gute Frau für mich sein.«
    »Ich bin

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