Ich habe einen Namen: Roman
Ein heftiger
Wind schlug um sich, wie ein Kind bei einem Wutanfall, aber Sanu blieb ruhig
und still.
Das Baby kam mit dem Kopf
zuerst, ganz so, wie es kommen sollte, und schon hielt ich den kleinen Körper
in meinen Händen. Ich band die glitschige Nabelschnur ab und zerschnitt sie.
Das Baby begann zu schreien. Es hatte große, geschwollene weibliche
Geschlechtsteile, selbst das konnte ich im Mondlicht sehen. Ich wickelte das
Baby warm ein und legte es seiner Mutter an die Brust, wartete auf die
Nachgeburt und half, auch die herauszubringen. Es war die schnellste Geburt,
die ich je erlebt hatte.
»Aminata, mein Baby«,
sagte Sanu.
Ich wusste nicht, ob es
klug war, einem Baby so schnell einen Namen zu geben oder es überhaupt nach mir
zu benennen. Vielleicht brachte es Unglück, ein Kind nach jemandem zu benennen,
der in solcher Gefahr war. Aber Sanu hatte es sich nun mal in den Kopf gesetzt.
Es rührte mich zu sehen, wie sanft sie das Baby hielt und den kleinen Mund an
ihre Brustwarze führte.
Die winzige Aminata
begann gleich so kräftig zu saugen, dass man hätte denken sollen, sie tue das
schon seit Monaten so, und Sanu und ich legten die Finger aufeinander. Tränen
quollen der jungen Mutter aus den Augen, und das trieb die ganze Traurigkeit in
mir hoch. Ich würgte, bebte und weinte, bis meine Augen leer waren, während
Sanu die Tränen immer noch stetig die Wangen herunterrannen und sie ihr Baby
trinken ließ. Ich wusste, es brachte Unglück zu weinen, wenn ein Baby geboren
wurde.
Morgens wurden wir
wieder zusammengebunden. Mit einen Tuch, das Chekura gebracht hatte, band sich
Sanu ihr Neugeborenes auf den Rücken. Blut von der Geburt rann ihr die Beine
herunter, während wir Bergpfade erklommen und hinabstiegen und Täler und Wälder
voller Kolanusshändler durchquerten.
Um mir die Zeit zu
vertreiben, betrachtete ich die kleine Aminata, schließlich ging ich direkt
hinter ihr. Wenn ihr Köpfchen zu sehr hin- und herschlug, rief ich Sanu zu, ihr
Tuch fester zu binden. Das Baby trug kleine, weichgelockte Haarbüschel hinten
auf dem Kopf, und ich verbrachte Stunden damit, mir vorzustellen, wie dieses
Mädchen eines Tages sein Haar wachsen lassen, es bürsten und flechten würde.
Zwei Tage lang verlor ich mich in Träumereien, während ich das kleine Wesen
hinten auf dem Rücken seiner Mutter betrachtete.
Am dritten Tag nach
Aminatas Geburt wurden wir oben auf einer Erhebung langsamer. Es war zwar noch
früh am Morgen, aber die Sonne brannte bereits heiß vom Himmel. Ich löste den
Blick von Aminatas Köpfchen und richtete ihn zurück auf die Welt.
Was ich da sah, war
unmöglich.
Rechts von mir, wohin
der Pfad führte, floss der Fluss, schnell und breit, viel breiter als zehn
Steinwürfe. Am Ufer dieses Flusses warteten etliche Kanus, alle mit acht
Ruderern. Ich hatte noch nie so viele Boote und Ruderer gesehen. Links von mir
dehnte sich das Wasser in die Unendlichkeit. Es wogte und dröhnte, hob sich und
senkte sich. An einigen Stellen war es grün, an anderen blau und schien sich
ständig zu bewegen, zu verschieben und die Farbe zu wechseln. Es schäumte wie
die Schnauze eines Pferdes, das zu schnell galoppiert war. Links von mir hatte
das Wasser die Welt übernommen.
Die Fänger brachten uns
zum Ufer. Der Toubab schrie irgendwelche Befehle, und die Fänger befreiten uns
von unseren Stangen und stießen uns in die Kanus. Es verblüffte mich zu sehen,
dass sie Chekura mit zu mir ins Kanu zwangen. Die Ruderer waren bis auf ihre
Lendenschurze nackt, und sie stanken nach Salz, Schweiß und Schmutz. Ihre
Muskeln schimmerten in der Sonne. Die Kanus glitten schnell über das Wasser,
und der Fluss wurde immer breiter, bis ich am fernen Ufer keine Einzelheiten
mehr erkennen konnte.
Kurz nach dem Ablegen
war ein Gefangener im Boot gleich neben meinem aufgestanden, hatte gebrüllt und
das Kanu ins Schaukeln gebracht. Zwei riesige Ruderer hörten darauf auf zu
rudern und schlugen heftig mit ihren Rudern auf ihn ein. Aber der Mann machte
immer weiter. Als das Kanu schließlich zu kippen drohte, ließen die Ruderer
ihre Ruder fallen und warfen den Mann in die reißende Strömung. Er schlug wild
mit den Armen, versank und war verschwunden.
Wir ruderten den ganzen
Morgen. Das Sonnenlicht wurde vom Wasser zurückgeworfen und brannte mir in den
Augen. Der Fluss wurde so fürchterlich breit, dass ich nur noch erkennen
konnte, dass das Land links bergig und rechts flach war. Chekura war ohne
Fesseln, saß aber bei uns
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