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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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ihn fest,
während er schreiend protestierte. Als ich erneut erwachte, brannte meine Brust
noch immer. Die Hitze wirbelte und tanzte unter der hässlichen, geschwollenen
Wunde auf meiner Brust. Alle Frauen hatten die gleiche Wunde.
    In dieser Nacht konnte
ich nicht schlafen. Als es zu regnen begann, stand ich auf. Ein kräftiger
Schauer würde mich säubern. Es war gut, das kühle Wasser über mein Gesicht
rinnen zu spüren, gut, zu sehen, wie der Schmutz von meinen Beinen gespült
wurde. Über meine Wunde legte ich eine Hand, um sie zu schützen. Der Regen war
wohltuend, bis es zu donnern begann und Blitze den Himmel erleuchteten. Wasser
stürzte auf mich herab, als würden Hunderte von Eimern über mir geleert, Donner
dröhnten durch die Nacht und hallten von den fernen Bergen wider. Der Regen
strömte so heftig, dass ich betete, nicht mit allen anderen in den Fluss
hinuntergeschwemmt zu werden. Etwa zwanzig von uns drängten sich zusammen. Ich
hielt Fanta mit der einen, Sanu mit der anderen Hand. Der Lärm war so groß,
dass er das Schreien von Sanus Baby erstickte. Als das Krachen des Himmels
nachließ, fanden wir uns mit den Füßen tief im Matsch wieder. Wir blieben die
ganze Nacht stehen.
    Am Morgen
brannte meine Wunde immer noch. Nebel hing über unserem Pferch. Als die Sonne
aufging, hob sich der dichte Dunst, und es wurde ein klarer Tag. Schwarze
Frauen, Heimatländerinnen mit Kleidern und Sandalen, kippten gekochte Hirse in
unseren Trog. Stumm und müde starrten wir auf das Essen. Ich stellte mir vor,
dass wir so lange da stehen würden, bis der Hunger unseren Abscheu besiegte.
    Aber das Tor schwang
auf, und wir wurden aus dem Pferch hinunter zum Wasser getrieben. Dort
fesselten sie uns wieder und stießen uns in die Kanus. Schon wurden wir erneut
auf das sich weitende Wasser hinausgerudert. Eine Welle schlug gegen die
Bordwand und traf mich im Gesicht. Ich dachte, ein guter Schluck Wasser würde
mir guttun, aber das Wasser brannte mir in der Kehle, und ich würgte und
hustete es wieder hervor. Salz. Jede neue Welle stach in die Schnitte an meinen
Füßen und die Wunde auf meiner Brust.
    Mir graute vor dem
großen Schiff vor uns, das mit jedem Ruderschlag größer wurde. Es stank
schlimmer als der Pferch, in den sie uns auf der Insel gesteckt hatten, und
ließ unser Zwölf-Mann-Kanu wie ein Nichts erscheinen. Das Schiff machte mir
Angst, aber noch mehr fürchtete ich mich davor, tief ins Salzwasser zu sinken,
aus dem mein Geist nicht zu meinen Vorfahren zurückkehren könnte. Sollen sie
mit meinem Körper tun, was sie wollen, das aber an Land. Dort konnte mein Geist
reisen, und ich würde nach Hause zu meinen Vorfahren zurückkehren können, wo
ich nicht länger alleine war.
    Die Ruderer steuerten
uns über die heranrollenden Wellen. Wir glitten an die Seite des Schiffes der
Toubabu. Es war riesig, mit merkwürdigen Pfosten darauf, groß wie Palmen. Von
hoch über uns starrten Gesichter zu uns herunter. Toubabu-Gesichter und die
Gesichter von schwarzen Heimatländern, die mit ihnen zusammenarbeiteten. Wellen
schlugen gegen die gigantischen Seiten des Schiffes, das sich hob und senkte,
und doch auf geheimnisvolle Weise an eine Stelle auf dem Wasser gebunden
schien.
    Einer der Gefangenen
schrie und wand sich plötzlich, aber seine Füße und Hände waren fest mit Riemen
umwickelt, und dann wurde er mit Knüppeln geschlagen, bis er verstummte. Männer
und Frauen bebten und zitterten. Ich wurde ruhiger. »Fürchte
niemanden« , hatte mein
Vater gesagt, »sondern lerne ihn kennen.«
    Etwas stieß gegen unser
Kanu. Es war ein anderes kleines Boot, das an unserem festmachte. Unter den
gefesselten Männern und Frauen darin sah ich Chekura. Sein Gesicht war
geschwollen, und er ließ den Kopf hängen. Was für ein dummer Kerl. Er hätte
fliehen sollen, in der Nähe von Bayo, wo er Wald und Menschen kannte. Er hätte
fliehen sollen, bevor sie sich gegen ihn wandten. Ich rief ihn nicht an. Ich
biss die Zähne zusammen und sah zu all den Leuten meines Volkes hinüber, die
gefesselt in den Kanus saßen und eine Planke hinaufgestoßen und -gezogen
wurden, zur großen Wand des Schiffes hin. Ich drehte den Kopf, um zu meiner
Heimat zurückzusehen. In der Ferne waren die Berge zu erkennen. Einer hob sich
wie ein mächtiger Löwe in die Höhe. Aber seine Kraft war an Land gefangen. Hier
draußen auf dem Wasser konnte er nichts für uns tun.

Wir gleiten über die Unbegrabenen
     
    Sollte ich je
eines Tages zurück nach Hause

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