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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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und flüsterte unterwegs mit mir.
    »Du bist eine von den
Glücklichen«, sagte er. »Ein großes Schiff wartet. Es ist fast voll. Ihr werdet
alle verkauft und fahrt bald schon übers große Wasser.
    »Warum ist das ein
Glück?«, fragte ich.
    »Andere müssen
mondelang warten. Sie siechen dahin, bis das Schiff voll ist. Aber du musst
nicht warten.«
    Ein schrecklicher
Gestank wehte mit dem Wind heran, wie der Gestank von verfaulendem Essen. Es
stank schlimmer als der Müll einer Stadt voller Männer. Ich verzog das Gesicht.
    »Das ist das Schiff«,
sagte Chekura mit zitternder Stimme. »Wir werden bald getrennt werden.«
    »Bewege dich vorsichtig
unter deinen Gefangenen, Chekura. Einer hat sicher ein Messer und wartet nur
darauf, dass du einen falschen Schritt tust.«
    »Und du, Aminata, nimm
dich in Acht vor deiner Schönheit, die unter Fremden aufblühen wird.«
    Der fürchterliche
Gestank traf uns wieder. »Wie kann etwas in dem Gestank aufblühen oder auch nur
leben?«, fragte ich.
    Chekuras Lippen
zitterten. Der Junge, der drei Monde lang gelächelt hatte, legte die Stirn in
Falten. Ich hatte nie einen Bruder gehabt, aber Chekura kam mir jetzt wie einer
vor.
    »Wohin bringen sie
uns?«, flüsterte ich.
    »Über das Wasser.«
    »Ich will nicht.«
    »Du fährst mit oder du
stirbst«, sagte er.
    »Dann komme ich
zurück.«
    »Ich habe schon viele
Menschen ans Meer gebracht«, sagte Chekura, »aber ich habe noch keinen Einzigen
in sein Dorf zurückkehren sehen.«
    »Dann schlafe ich bei
Tag und gehe bei Nacht. Aber hör mir zu, mein Freund. Ich werde zurückkommen.
Zurück nach Hause.«
    Die Kanus
steuerten einen Landeplatz auf einer Insel mit einer Erhebung und einer Burg
an. Mehr Toubabu und Männer in der Farbe meiner Heimat liefen auf dem Steg
herum, luden Waren ein und führten Leute hin und her. Wir wurden einen steilen
Pfad hinauf hinter ein Gebäude gebracht. Vor uns lagen zwei umzäunte Bereiche,
nebeneinander, von Pfählen umgeben, die etwa doppelt so groß waren wie ein Mann
und oben spitz zuliefen. Unsere Fänger drückten die Tore auf und schoben die
Männer in den einen Pferch, die Frauen und Kinder in den anderen. Ich sah mich
nach Chekura um, aber er war verschwunden. Auch Fanta konnte ich nirgends
entdecken. Vielleicht fand ich ja Sanu mit ihrem Baby, und tatsächlich, da
waren sie, kaum zwanzig Schritte links von mir. Ich war nicht mehr gefesselt,
und so lief ich zu ihnen.
    Zwei Toubabu mit
Feuerstöcken bewachten unseren Pferch, aber da waren auch noch Männer aus
meiner Heimat mit Knüppeln, Messern und Feuerstöcken. Eingeschlossen in diesen
Pferch, nackt, wund und blutend, standen wir eng beieinander auf einem sandigen
Boden, der nach Urin und Fäkalien stank.
    Wir warteten und
beobachteten, wie sich die Sonne am Himmel entlangschob. Sie brachten uns
gekochte Hirse und kippten sie in einen Trog. Ein paar Frauen aßen davon. Ich
selbst konnte mich nicht dazu bringen, als jedoch Kalebassen mit Wasser
herumgereicht wurden, trank ich.
    Frauen aus meiner
Heimat wuschen uns mit kaltem Wasser und rieben unsere Haut mit Palmöl ein,
damit wir glänzten und gesund aussahen. Dann zerrten ein paar der bekleideten,
kaltäugigen Frauen eine Gefangene in eine Ecke, wo Toubabu und schwarzhäutige
Heimatländer mit einem Eisen standen, das sie in glühende Asche hielten. Ich
wandte den Blick ab, hörte die Frau aber schreien, als hätte ihr jemand einen
Arm ausgerissen.
    Ich schwor mir, dass
sich diese Männer nicht an meinem Schmerz ergötzen sollten. Als die Reihe an
mich kam, ergab ich mich ihrer Grobheit und ihrem Gestank. Sie schleppten mich
zum Feuer. Das Eisen war gebogen wie ein riesiges Insekt. Als sie mir damit
näher kamen, leerte sich mein Darm. Sie zielten eine Fingerlänge über meine
rechte Brustwarze und drückten das Metall in mein Fleisch. Ich roch, wie es
verbrannte, und der Schmerz durchfuhr mich wie eine heiße Lavawelle. Die
Männer, die mich gehalten hatten, ließen mich los. Mein Kopf war voller Brennen
und Schmerz. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich öffnete den Mund, aber es kam
kein Geräusch heraus. Endlich hörte ich ein Stöhnen von meinen Lippen kommen.
Fühlte Arme um mich. Hörte den Schrei einer anderen Frau. Und verlor das
Bewusstsein.
    Als ich erwachte, war
ich nicht sicher, wie weit sich die Sonne weiterbewegt hatte. Oder ob sie sich
überhaupt bewegt hatte. Ich schlief wieder ein. Ich dachte, ich träumte,
Chekura hielte meine Hand. Große Männer packten ihn und hielten

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