Ich habe einen Namen: Roman
mit
weißen Blütenständen betrachtete. Sie kochte die Blätter in heißem Wasser und
bewahrte die Flüssigkeit in einer Kalebasse auf. Die Blüten kochte sie in
Schweinefett und füllte das entstandene Gebräu in eine Kürbisflasche mit
schmalem Ausguss. Die Flasche gehörte zu einer ganzen Sammlung von Kalebassen
jeder Form und Größe, die an Streben und Nägeln in den Wänden ihrer Hütte
hingen. »Holunderblüten und Schmalz«, sagte sie immer wieder, so lange, bis ich
es wiederholen konnte. Eines Tages rieb sie das Zeugs auf die offene, eiternde
Wunde im Fuß eines Mannes, der deswegen zu ihr gekommen war. Dafür gab er ihr
eine eigene Flasche mit einer stark riechenden Flüssigkeit. Sie nahm einen
kräftigen Schluck und öffnete dann den Mund, als wollte sie Feuer spucken.
»Schnaps«, sagte sie.
Ich wiederholte jedes
Wort, das über Georgias Lippen kam, und nach ein, zwei Monden hatte ich mich an
ihre Art zu sprechen gewöhnt. Während ich ihr langsam folgen und antworten
lernte, begriff ich, dass sie mir eigentlich zwei Sprachen beibrachte, die
genau wie Mandinka und Bambara verschieden, aber doch verwandt waren und
ähnlich klangen. Eine benutzte Georgia, wenn sie mit den Negern auf der
Plantage sprach – sie nannte sie Gullah –, mit der zweiten richtete sie sich an
Robinson Appleby und die anderen Weißen, mit denen sie zu tun hatte. Das war Englisch. »Brudda dieb da Schwein« war in etwa das, was ihr Gullah aus dem Satz »Der Bruder hat das
Schwein geklaut« machte, den sie den Weißen gegenüber gebrauchen würde. Wenn
die Sätze komplizierter wurden, wie »Die lange Trockenheit hat die Ernte
verdorben« oder »Die weißen Leute geben uns das Vorderteil, das hintere Teil
essen sie selbst«, waren die Verbindungen oft schwerer zu ziehen, auch weil es
ganz spezielle Worte gab. So hießen die weißen Leute auf Gullah Buckra , wobei
Georgia mich warnte, einen Mann nie weiß zu nennen.
»Wenn du’n Weißen weiß
nenns’, schlägt er dich grün und blau.«
»Wie nennst du ihn
also?«, fragte ich.
Ich sollte den Mann,
dem diese Farm gehörte »Master Apbee« nennen, wobei sie mir erklärte, wenn er
mit mir redete, würde er selbst »Master Appleby« sagen. Seine Frau war die
»Missus« oder »de Missus«.
Ihr Unterricht und ihre
Erklärungen hörten niemals auf. Der Vorname von Appleby war Robinson, doch ich
würde was »drüberkrieg’n«, wenn ich einen Buckra mit seinem Vornamen ansprach.
Wenn ich den Nachnamen nicht wusste, reichte auch »Master« oder »Missus«. Ich
durfte einem Buckra nie in die Augen sehen, wenn er mit mir redete, und auch
nicht so tun, als wüsste ich mehr als er. Dumm sollte ich aber auch nicht tun,
sagte Georgia. Das Beste war, den Worten eines Buckra wie ein gut abgerichteter
Hund zu folgen. Im Übrigen sollte ich alles tun, um Appleby aus dem Weg zu
gehen, besonders wenn ich allein war. Dabei, sagte Georgia, dürfe ich nie
vergessen, dass die Buckra kein Gullah verstünden. Sie kannten nur ihre eigene
Art zu sprechen, und ich durfte ihnen nie auch nur ein Wort oder einen Ausdruck
erklären, den die Neger benutzten. Und am besten tat ich immer so, als
verstünde ich meinerseits nicht zu viel von dem, was die Buckra redeten.
Georgia gefiel es sehr,
dass ich ihre Sprache so schnell lernte, sie nahm mich bei ihren Besuchen bei
anderen Frauen und Männern auf der Plantage auch mit, um mit meinen
Fortschritten angeben zu können.
»Sie lernt so schnell«,
sagte sie. »Zack, zack, zack. Die Worte flieg’n ihr aus’em Mund wie Adler.«
Ich lachte. Ich hörte
diese Frau so gerne reden. Jedes Mal, wenn sie den Mund aufmachte, kam etwas
Erstaunliches daraus hervor. Etwas an ihrer Art zu sprechen machte das Leben
erträglich.
»Schätzchen«, sagte sie
eines Tages zu mir, »warum spricht eig’nlich Fomba nie nich?«
Ich sagte, er habe
seine Worte auf dem großen Schiff verloren.
»Er iss mit dir über’n
Fluss rüber?«
»Ja.«
Georgia nickte und
legte mir die Hände auf die Schultern. »Du biss über’n Fluss rüber, und dein
Kopf steht in Flammen. Aber’n Erwachsener iss rüber und macht den Mund nich
mehr auf.«
Sie verschränkte die
Arme vor der Brust und steckte die Hände unter die Achseln. »Da seid alle
über’n bösen Stumm-mach-Fluss gekomm’n.«
Ich erzählte Georgia
nicht, dass Fomba der Dorf-Woloso gewesen war. Ich wollte nicht, dass es jemand
erfuhr. »Er arbeitet gut«, sagte ich. »Er ist stark wie ein Ochse.«
»Ich weiß«, sagte
Georgia.
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