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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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nicht zu fragen.
    Am Ende ließ Mamed mich
allein, während ich die matschigen Flecken wegschrubbte. »Mach bis hier
sauber«, sagte er und malte ein Zeichen an die Bottichwand. Wenn er zurückkam,
sah er nach, ob ich das Zeichen erreicht hatte. Um den Schlägen seines Stockes
zu entgehen, arbeitete ich schnell und verkürzte mir die Zeit, indem ich mir
ermutigende Worte meines Vaters vorstellte. Wie anders es sein würde, einen
Vater zu haben. Einen Vater, mit dem ich in meiner eigenen Sprache sprechen und
der mir zeigen würde, wie ich den Schlägen aus dem Weg gehen und verhindern
konnte, dass mich ein Mann bei den Handgelenken packte und davonzog. Der mir
zeigen würde, wie ich in diesem Land zurechtkam. Ich sehnte mich nach jemandem,
der mich genau kannte und wusste, wie er mich führen konnte. Träumend stellte
ich mir den Klang seiner tiefen, festen Stimme vor, und wie er mir sanft mit
der Hand über den Arm fuhr. Das ist es, was sie
wollen, Aminata, und so überlebst du hier. Hühner zum Beispiel. Sie lassen die
Hühner in diesem Land nicht ausbluten. Du hackst ihnen einfach den Kopf ab und
reißt ihnen die Innereien heraus. Meide alles Schweinefleisch, wenn du kannst,
aber mach dir keine zu großen Sorgen deswegen. Du bist hier in einem neuen
Land. Tu, was du tun musst, um am Leben zu bleiben. Ich wache über dich,
Tochter. Ich benutze die Sterne als meine Augen, und ich sehe dich in diesem
neuen Land. Du hast den großen Fluss überquert, und du musst überleben .
    Mamed kam mehrmals am
Tag, um mich zu kontrollieren, nickte mürrisch und brachte manchmal Wasser und
Essen mit. Nach sieben Tagen Arbeit waren die Bottiche endlich sauber. Zu
Mameds Zufriedenheit.
    Abends im Bett erzählte
mir Georgia, sie habe Mamed sagen hören, ich sei eine gute Arbeiterin.
    »Woher ist er?«, fragte
ich.
    »Er iss einfach nur’n
Neger«, sagte sie. »Hier in Ca’lina geboren.«
    Ich hielt einen Moment
inne und lauschte dem Klang dieses Wortes nach, so wie sie es aussprach. Kä-lei-na . Und
während ich noch überlegte, dass sie die Laute der Worte manchmal so dehnte,
dass es sich anhörte, als machte sie eine Pause, flüsterte sie mir eine weitere
Einzelheit zu.
    »Mameds Mama iss’ne
reine Afrikanerin.«
    »Wirklich?«, rief ich.
    »Leise, Kind.«
    Ich fasste ihre Hand
und flüsterte: »Mameds Mama ist eine Afrikanerin?«
    »Jaja.«
    »Woher ist sie?«
    »Lass mich los,
Mädchen.«
    Ich ließ ihre Hand los.
»Aber woher ist sie?«
    »Afrikanisch iss
afrikanisch. Das iss alles, was ich weiß.«
    »Lebt seine Mama noch?«
    »Die iss lange, lange
schon tot.«
    »Hast du Mameds Mama
gekannt?«
    »Hab sie nie nich
getroffen, aber das iss noch nich alles«, sagte Georgia.
    »Was ist nicht alles?«
    »Mameds Daddy war’n
Buckra. Hatte seine eig’ne Plantage auf Coosaw Island.«
    »Lebt sein Daddy noch?«
    »Sein Daddy iss so tot
wie seine Mama.«
    »Aber warum ist Mamed
ein Sklave?«
    »Aufseher«, sagte
Georgia.
    »Ist er kein Sklave?«
    »Hmm, aber’n bisschen
mehr ob’n wie du und ich.«
    »Und sein Daddy war ein
Buckra?«
    »So sicher, wie die
Sonne aufgeht«, sagte Georgia.
    »Aber warum ist er dann
ein Sklave?«
    »Wenn du’ne Sklavenmama
hass, biss du’n Sklave. Hass du’n Sklavendaddy, biss du auch’n Sklave. Wenn
nur’n Stück Nigger in dir iss, biss du’n Sklave. Das iss so klar, wie die Sonne
aufgeht.«
    Ich wollte fragen, wie
Mamed auf unserer Plantage gelandet war, aber Georgia kam schon mit der
Antwort.
    »Als Mameds Mama
gestorben iss, hat ihn sein Buckra-Daddy an Master Apbee verkauft.«
    Ich verstummte eine
Weile, konnte aber nicht schlafen. Es kam mir verrückt vor, dass ich für einen
Mann Holzbottiche schrubbte, Kleider wusch und Hühnerkehlen aufschlitzte, der
nicht mal hier lebte. Wie konnte es sein, dass ich und all die anderen ihm
gehörten? Und gehörte ich ihm ganz oder nur, wenn ich für ihn arbeitete?
Gehörte ich ihm auch, wenn ich schlief? Wenn ich träumte?
    Georgia schnarchte
bereits laut, aber ich konnte nicht anders, ich zupfte sie am Arm.
    »Waas?«, stöhnte sie.
    »Was ist ein Sklave?«
    »Weck mich nich mit
dumm’n Fragen.«
    »Wie genau gehören wir
diesem Mann?«, fragte ich.
    »Mit Haut und Haar.«
    »Und wenn wir’s nicht
tun?«
    »Was nich tun?«
    »Nicht arbeiten?«
    »Wenn du nich
arbeites’, stirbs’ du«, sagte Georgia. »Der Buckra muss Dinge anpflanzen und
Häuser bauen, und wenn du nich arbeites’, stirbs’ du.«
    »Bevor sie uns geholt
haben. Vor den Negern. Vor

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