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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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»Gestern hat er’n Schwein hochgehoben und zum Ausbluten in’ne rote
Eiche gehängt. Das iss was für drei Männer, aber er hat’s allein gemacht.«
    Ich wollte, dass Fomba
lebte, und machte mir Sorgen, weil er nicht reden konnte. Auf dieser Plantage,
das hatte ich gelernt, gab es zwei Klassen von Gefangenen. Da waren die
»vernünftigen Neger« wie ich, die die Sprache der Toubabu sprachen und Befehle
verstanden. Und da waren die anderen. Die ohne »Vernunft«. Die nicht mit dem
weißen Mann sprechen konnten und nie leichtere Aufgaben bekamen. Denen nie
etwas Interessantes beigebracht wurde und die nie irgendwelche Vergünstigungen
bekamen, ob nun beim Essen oder sonst wo.
    Ich dachte, wenn alle
wüssten, dass Fomba ein Schwein allein hochheben und zum Ausbluten aufhängen
konnte, dass sie sich dann vielleicht um ihn kümmerten und ihm seinen Frieden
ließen. Ich verstand ihn gut genug, um zu sehen, dass es ihn verstörte, wenn
die Leute ihn einengen wollten. Aber wenn sie ihn machen ließen und er zum
Beispiel ungelöschten Kalk ins Wasser werfen konnte, um die Fische zu lähmen
und herauszuholen, lief alles bestens. Dann war er was und war stark. Ich
hoffte verzweifelt, dass es für ihn so bleiben würde. Ich wollte nur starke
Menschen um mich herum.
    An einem Tag,
als die Mücken eine besondere Plage waren, kam Mamed und zog mich von meiner
Arbeit bei Georgia am Waschzuber weg. Ich solle mit ihm kommen, sagte er.
    »Gibt kein’ Grund, sie
zu drangsalier’n«, sagte Georgia. »Sie arbeitet wie’n Eichhörnchen.«
    Mamed schubste sie zur
Seite und packte meine Hand. Sein eiserner Griff fühlte sich an wie die
Schellen auf dem Sklavenschiff.
    Georgia ließ die Arme
sinken und rief: »Da kriegs’ du mit mir Schwierigkei’n, wenn du das Mädchen
anrührst.«
    Mamed lief hinter die
Hütten und zog mich hinter sich her. Etwas war mit seinem Knie, dem rechten,
auf der Seite, auf der er auch den Stock hielt. Es knickte nicht richtig ein,
was ihn jedoch nicht davon abhielt, schnell zu sein, an Kraft fehlte es ihm
ganz sicher nicht. Seine Hose war auf Kniehöhe abgeschnitten, und die Muskeln
in den Waden bewegten sich wie Schlangen unter der Haut. Sein silbriges Haar
war nicht so klein gelockt wie meines, und er hatte eine hellere Haut als die
meisten auf der Plantage.
    Als wir außer
Sichtweite waren, ließ Mamed meine Hand los. Wir gingen durch den Wald und
kamen zu einer Lichtung. Ich sah ein großes Strohdach auf hohen Pfählen, ohne
Wände oder festen Boden. Das Dach diente dazu, Schatten zu spenden, und
darunter standen eckige Bottiche aus Zypressenholz. Es waren sechs, und sie
stanken nach Urin. Jeweils drei der Bottiche standen wie auf einer Treppe
unterschiedlich hoch beieinander und waren über Röhren miteinander verbunden.
    Mamed gab mir
Fichtennadeln und eine Bürste. Er zeigte mir, wie ich in die Bottiche steigen,
die Bürste in Lauge und Wasser tauchen und das Holz damit abschrubben sollte.
Dann sah er zu, ob ich auch alles richtig machte. Die Arbeit war schwer, aber
ich zeigte ihm, dass ich schnell begriff und meine Aufgabe gut erfüllen würde.
Ich wollte keinen Ärger mit ihm.
    Abends fragte ich
Georgia, wofür ich die Bottiche säuberte.
    »Für den Indigo«, sagte
sie.
    »Den Indigo«, wiederholte
ich.
    Sie sagte, der werde
für die Kleider der Buckra gebraucht, für die Farbe. Ich verstand nicht recht,
was das Ausschrubben von Holzbottichen mit Kleidern zu tun haben konnte. Sie
erklärte mir, während ich mit Mamed arbeite, würden sie und die Männer Büsche
von einem Stück Land holen. »Keine gute, iss’ne schmutzige Arbeit«, sagte
Georgia. »Da beiß’n Schlangen, stech’n Bienen und alles mögliche Ungeziefer
krabbelt rum.«
    Tag für Tag holte mich
Mamed zum Saubermachen. Einmal blickte ich auf und sah Appleby in unsere
Richtung kommen. Mamed rief, ich hätte einen Fleck übersehen, und verpasste mir
einen Schlag mit seinem Stock. Ich spürte Applebys Blick, der zu lange auf
meinem Körper lag, und war froh, mein Osnaburg-Tuch, so rau es auch sein mochte,
um mich gewickelt zu haben. Appleby verschwand bald wieder, und die Arbeit ging
ohne zusätzliche Lektionen von Mameds Stock weiter.
    Auch wenn er allein mit
mir war und mich beim Schrubben überwachte, verfiel Mamed nicht in die
Negersprache. Er redete immer wie ein Buckra. Ob das etwas mit seinem Aussehen
zu tun hatte? Er war viel heller als ich, aber dunkler als ein Buckra. Ich
fragte mich, wer seine Eltern waren, traute mich aber

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