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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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außer Hörweite war, sagte Chekura: »Du
hättest auf mich warten und ihm nicht gleich einen Namen geben sollen. Ich
wollte ihn Sundee nennen.«
    »So nennen wir den
nächsten«, sagte ich und hielt die Hand meines Mannes. »Komm mich möglichst
bald wieder besuchen, aber lass dich nicht erwischen und dir wehtun.«
    Ich durfte
eine Woche ausruhen und sollte dann wieder die Hälfte meiner Arbeiten
übernehmen. Die anderen sprangen für mich ein, wenn ich nicht die Kraft hatte,
meine Aufgaben zu erfüllen. Georgia änderte nichts in der Hütte, begann aber
die Nächte bei Happy Jack zu verbringen. Ich trug Mamadu in einem hellen
orangefarbenen Tuch auf dem Rücken. Seine Geräusche und Bewegungen waren wie
eine neue Sprache, und ich wollte sie lernen, damit ich ihm geben konnte, was
er brauchte. Ich stillte ihn, bevor er hungrig wurde, und gelobte mir, er solle
nie einen Grund zum Weinen haben. Ich konnte sogar fühlen, wenn er grunzte und
kurz davor war, sich zu erleichtern. Dann nahm ich ihn vom Rücken und wickelte
ihn aus seinen Tüchern, noch bevor es so weit war.
    Aber als mein Sohn
gerade zehn Monate alt war, wurde ich eines Nachts von seinem Schreien geweckt.
Ich rollte mich herum, um ihn an mich zu ziehen, zu beruhigen und den Druck der
Milch in meinen Brüsten zu erleichtern. Meine Hand traf auf das Bett aus
gewobenem Gras. Das Bett. Die Luft. Mich selbst. Sonst nichts. Ich öffnete die
Augen. Die Schreie kamen jetzt von draußen. Von draußen aus der Nacht. Ich
sprang auf, benommen, verwirrt und voll wie eine ungemolkene Kuh, lief hinaus
und sah, wie Robinson Appleby mein Baby in die Arme eines Mannes auf einer
Kutsche legte. Ich rannte zu ihnen. Der Fahrer ließ die Peitsche knallen, und
die Kutsche setzte sich in Bewegung. Noch einmal knallte die Peitsche, und sie
schoss davon. Und mit ihr verschwand mein Baby in der Nacht, schnell wie eine
Sternschnuppe.
    Ich rannte zu Appleby
und schlug ihm mit den Fäusten auf die Brust. Ich schlug und schlug, bis er
mich zu Boden warf.
    »Holen Sie mein Baby
zurück!«, schrie ich.
    Er lachte mir ins
Gesicht.
    »Holen Sie es zurück!«
    »Zu spät. Es ist
verkauft. Hat mir nur fünf Pfund eingebracht, aber es ist ein Bock, und es wird
wachsen und seinem Besitzer eines Tages einen schönen Gewinn einbringen.«
    Der Schmutz grub sich
in meine Knie, und die Milch lief mir aus den Brüsten. Noch nie zuvor hatte ich
einen Menschen so sehr umbringen wollen. Ich hätte Robinson Appleby in diesem
Moment getötet. Mein Herz und mein Körper schrien nach Mamadu. Aber mein Baby
war weg. Verkauft, verkauft, verkauft. Appleby würde nicht sagen, wohin.
    Wir warfen das
Fischnetz aus, tief und weit, doch niemand wusste etwas über ein Baby, das
irgendwo ohne Mutter aufgetaucht war. Weder auf St. Helena noch auf einer der
benachbarten Inseln. Mamadu war nicht auf Lady’s Island, auf Coosaw, Edisto
oder Hunting Island.
    »Er iss nich im
Fischnetz«, sagte Georgia. »Er iss weit weg. Master Apbee hat ihn für immer
verkauft.«
    Alles Feuer und aller
Kampfeswille erloschen in mir. So schlecht hatte ich mich seit meiner Ankunft
in Carolina nicht gefühlt. Chekura kam mich nicht ein einziges Mal besuchen,
und ich war überzeugt, dass alles mein Fehler war. Mein Mann hatte sich von mir
abgewandt, weil ich den Sohn verloren hatte, den wir zusammen gemacht hatten.
Ich fühlte mich krank und verzweifelt und verspürte kein Verlangen, auch nur
eine Hand zu rühren. Ich steckte mich mit dem Fieber an, das so viele Neger und
noch mehr Buckra tötete, aber Georgia päppelte mich wieder auf. Ich hätte den
Tod willkommen geheißen, aber er pfiff nur an meiner Tür und wurde auch schon
wieder weggeblasen.
    »Wenn dein Mann nich
kommt«, sagte Georgia, »iss er verkauft oder verlieh’n, und er kann nich.«
    Aber ich glaubte ihr nicht.
Ich weigerte mich zu arbeiten. Ich würde keine Babys mehr auf die Welt holen
und keine Indigo-Bottiche mehr waschen. Appleby drohte damit, mir den Kopf
wieder zu rasieren, aber ich wankte nicht. Mein Sohn war weg, mein Mann
besuchte mich nicht mehr, und alle meine Mühen, die Art der Buckra zu lernen,
hatten in die Katastrophe geführt. Georgia wurde immer wütender auf mich, weil
ich nicht arbeiten wollte, und Mamed sagte, er könne mich nicht ewig schützen.
Appleby schlug mich, aber ich wollte trotzdem nicht für ihn arbeiten. Als die
Indigo-Saison losging, pflanzte ich nicht einen Samen. Ich hörte auf zu essen.
Ich verließ das Bett nicht mehr.
    Eines Morgens

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