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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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von Jonathan Swift. Ich schlug es auf, und meine Augen fielen auf diese Worte:
    Ich
legte mich ins kurze, weiche Gras und schlief tiefer als je in meinem Leben …
Ich versuchte aufzustehen, konnte mich aber nicht bewegen: Ich lag auf dem
Rücken und bemerkte, dass meine Arme und Beine fest an die Erde gebunden waren,
und mein langes, dichtes Haar ebenso.
    Ich war
gleich voller Verlangen, das Buch zu lesen. »Das sieht so gut aus wie Exodus , das
zweite Buch Mose«, sagte ich.
    »Und was kennst du
davon?«, fragte er.
    Ich erklärte ihm, dass
ich die Bibel auf St. Helena gleich mehrmals ganz gelesen hätte.
    »Wir alle sprechen vom
Exodus, wusstest du das?«, sagte er.
    Es schien dumm, zu viel
zu sagen, aber ich konnte mich nicht zügeln und platzte mit einer Frage heraus:
»Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, dass Juden,
Muslime und Christen alle die Geschichte des Exodus in ihren religiösen Büchern
haben«, sagte Lindo. »Die Israeliten sind mein Volk, und der Exodus ist die
Geschichte unserer Flucht aus der Sklaverei.«
    Ich hörte ihm
aufmerksam zu und überlegte, was er da sagte. Die Erkenntnis war faszinierend,
aber auch verwirrend. Vielleicht konnte mir Lindo erklären, warum Christen und
Juden Muslime als Sklaven hielten, wenn wir doch alle denselben Gott hatten und
die Flucht der Hebräer aus Ägypten feierten.
    Wie viel war für mich
bezahlt worden, fragte ich mich, und wer hatte dafür gesorgt, dass ich in
dieses Land gebracht worden war? Wie waren die schwarzen Männer, die mich
gestohlen hatten, mit den Christen und Juden verbunden, die in Süd-Carolina mit
Sklaven handelten? Gerade als die Welt der Buckra etwas verständlicher gewirkt
hatte, wurde sie noch verwirrender. Antworten führten nur zu noch mehr Fragen.
    Lindo unterbrach meine
Gedanken. »Ich habe die Vermutung, dass ein Afrikaner alles lernen kann, wenn
er die Gelegenheit dazu bekommt«, sagte er. »Lass uns also einen Versuch machen
und sehen, wie viel du lernst.«
    Er legte eine Hand auf
die andere. Mein Blick fuhr zu dem Ring an seinem Finger. Guinea , dachte
ich. Guinea-Gold. Benutze mich, wenn du musst, aber
ich werde dich auch benutzen .
    Als der
offizielle Indigo-Inspektor der Provinz von Süd-Carolina hatte Solomon Lindo
verschiedene Einkommensquellen. Er bekam kein Gehalt, aber das Parlament zahlte
ihm jährlich fünfhundert Pfund, damit er kalkulierte, wie viel Indigo nach
England verschifft wurde, und die Produzenten bezahlten ihn dafür, dass er
ihren Indigo einstufte und sie beriet, wie sie die Qualität verbessern konnten.
Ich führte ihm die Bücher, verschickte Mahnungen über ausstehende Zahlungen und
wurde infolge der Anzeige, die Lindo in die South
Carolina Gazette gesetzt
hatte, ein bis zwei Mal in der Woche zu einer Geburt in Charles Town und den
anliegenden Gebieten gerufen. Lindo gab mir das Geld für eine Stofftasche,
Heilkräuter und die nötigen Utensilien, die ich von einem Händler auf dem Markt
kaufte. Um zu zeigen, dass ich das Recht hatte, mich für meine Arbeit durch die
Stadt zu bewegen, um Belästigungen zu entgehen und nicht von den Buckra
verhaftet zu werden, musste ich mir eine sechseckige Blechplakette an die
Kleider heften, in die mein Name und das Jahr eingeprägt waren: Meena, 1762 .
    Auf dem Markt kaufte
ich auch Holunderblüten und kochte sie in Schmalz, um damit Sandflohbisse zu
behandeln. Die Insekten versteckten sich im Moos, das von Eichen herunterhing.
Ich kaufte Baumwollwurzeln, da ich manchmal auch gerufen wurde, um das
Heranwachsen eines Babys im Leib einer Frau zu verhindern, so wie Georgia mich
gerettet hatte, nachdem Robinson Appleby über mich hergefallen war. Ich kaufte
Rinde von der späten Traubenkirsche, die ich in warmem Wasser einweichte, um
Frauen zu helfen, wenn ihre Monatsblutungen zu stark wurden. Ich kaufte die
Wurzelrinde der Virginia-Eiche und Blätter der amerikanischen Aloe gegen
Klapperschlangenbisse, denn manchmal kamen die Leute mit derartigen
Verletzungen, wenn ich gerade einer Frau mit ihrem Baby half. Brombeerblätter
halfen gegen Magenschmerzen und Durchfall, und aus Sassafraswurzel gekochter
Tee konnte Blindheit heilen. Hartriegel, die Rinde von Kirsche und roter Eiche
ergaben einen guten Tee gegen die Fieber, mit denen die in der feuchten,
schlechten Luft arbeitenden Neger zu kämpfen hatten.
    Mit meinen Kräutern und
Wurzeln in der Tasche ging ich und half den Sklavinnen der Stadt bei ihren
Geburten. Ich lernte, mit ihren Besitzern so mutig zu verhandeln, wie

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