Ich habe einen Namen: Roman
wie’n Hund die Katze.«
Die Lindos
aßen ihre Hauptmahlzeit am Nachmittag. Dolly musste kochen und hinterher
abwaschen, aber wenn sie ihre Aufgaben erledigt hatte, konnte sie tun, was ihr
gefiel. Samstags musste sie nicht arbeiten, das war Lindos Sabbat, aber am
Abend vorher musste sie das Sabbat-Essen vorbereiten. Die Juden in Charles Town
hatten einem ihrer Sklaven beigebracht, die Tiere nach ihrem Glauben zu
schlachten, und Dolly ging zu ihm, um Fleisch und Geflügel zu besorgen. Solomon
Lindo und seine Frau aßen kein Schwein. Vielleicht hatte er ja recht, wenn er
sagte, wir seien uns ähnlich. Ich beschloss, solange ich bei den Lindos war,
mein Fleisch so zuzubereiten, wie sie es taten. Dolly und ich durften oft
nehmen, was übrig war, und es hinten bei uns im Haus essen. Dazu gab uns Mrs
Lindo Granatäpfel, Feigen und Käse.
Das Stück Land, auf dem
Charles Town lag, war geformt wie ein Finger, mit dem Cooper River auf der
einen und dem Ashley River auf der anderen Seite. Die Gezeiten sanken und
stiegen zweimal täglich, und wenn das Wasser nach draußen zog, konnte das Watt
in der glühenden Hitze zum Himmel stinken. Manchmal fanden sich tote Tiere im
Schlick. Dann wieder wurden die Leichen toter Afrikaner angespült oder im Watt
gefunden. Wann immer sich Menschen am Wasser sammelten, ging ich lieber andere
Wege. Ich ertrug den Anblick der aufgedunsenen Körper nicht.
Eines Samstags erlaubte
uns Lindo, einen Jahrmarkt in der Stadt zu besuchen. Genau wie die Neger, die
ich mit so großer Verwirrung gesehen hatte, als wir vom Sklavenschiff gekommen
waren, waren jetzt auch Dolly und ich ohne einen Gedanken daran, fortzulaufen.
Auf dem Jahrmarkt sahen wir Bärenhatzen, Hahnenkämpfe und weiße Männer, die mit
eingefetteten Schweinen rangen, während die Zuschauer sie anfeuerten,
auslachten und mit Münzen bewarfen. Der erste Mann, dem es gelang, ein Schwein
zu Boden zu ringen, durfte es mit nach Hause nehmen. Dolly wirkte entspannt,
aber ich fühlte mich zwischen all den schreienden und trinkenden weißen Männern
unwohl. Ich hatte Angst, dass ihr Übermut in Wut umschlagen könnte, und dann
stünde ich mitten zwischen ihnen, genau wie auf dem Schiff.
Auf dem Rückweg durch
die Stadt kamen wir an dem Punschhaus Zeichen des
Bacchus vorbei, neben
dessen Tür ein Schild hing: Weißes Negermädchen mit
grauen Augen und weißem Haar .
Ich versuchte, etwas durch die Schwingtüren zu erkennen, konnte aber nur eine
hellhäutige Negerfrau sehen, die mit weißen Männern an der Theke stand und
trank.
»Die Buckra mög’n ihre
Nigger weiß«, sagte Dolly. »Gelblich, ausgeblichen, mit’m klein’ afrikanischen
Nachgeschmack.«
Das glaubte ich Dolly
nicht ganz. Ich musste an Robinson Appleby und die vielen Männer denken, die
mich auf der Straße in Charles Town anstarrten.
Besonders an den Tagen,
da Dolly zu müde war, um mitzukommen, musste ich in der Stadt vorsichtig sein.
Das hatte ich schnell herausgefunden. Bei hellem Tageslicht hatte ein weißer
Mann versucht, mich zu packen und in ein Gasthaus zu ziehen. Ich riss mich los
und rannte weg. Und gleich am nächsten Tag legte mir ein großer Neger auf dem
Fischmarkt die Hand auf die Brust und wollte mich mit sich ziehen. »Komm mit
auf mein Boot«, sagte er. »Ich hab ein Geschenk für dich.« Auch vor ihm rannte
ich weg.
Solomon Lindo
gab mir Zeit, mich an Dollys Arbeitsweise zu gewöhnen und Charles Town zu
erkunden. Ich gewöhnte mich an die neuen Annehmlichkeiten, schlief mehr und aß
besser als je sonst, seit ich meine Heimat verlassen hatte. Eines Tages dann
rief Lindo mich in sein Büro. Er sagte, seine Frau sei ausgegangen, um sich mit
ihren Freundinnen über Bücher und Musik zu unterhalten, aber sie wisse, worüber
er mit mir sprechen wolle. Lindo schenkte mir ein Glas Zitronen-Cordial mit
drei Stücken Eis ein und sah mich an. Ich liebte Eis mehr als alles an diesen
heißen, stickigen Tagen in Charles Town.
»Ich bin nicht sicher,
wie du es geschafft hast, lesen zu lernen«, sagte er.
Ich versteifte mich ein
bisschen auf dem Stuhl mit der harten Rückenlehne.
»Aber ich muss es auch
nicht wissen«, fuhr er fort. »Du behandelst das vertraulich, und genauso musst
du es mit dem halten, was ich dir jetzt sage: Ich möchte dir beibringen, noch
mehr und besser zu lesen, als du es bereits kannst.«
Er fragte mich, ob mir
das gefallen würde. Ich nickte. Er sagte, er und Mrs Lindo würden mir Rechen-
und Schreibunterricht geben. Den Leuten in der
Weitere Kostenlose Bücher