Ich habe mich verträumt
oder?“
„Doch! Ich … Was meinst du damit?“
„Na, du willst doch eigentlich ein Happy End, oder? Keine Affäre.“
„Ruhe da! Ihr seid tot!“, bellte ein vorbeimarschierender Yankee.
„Das ist ein Privatgespräch“, bellte Margaret zurück. „Das ist eine Schlacht“, zischte er.
„Nein, Schätzchen, das nennt man ‚so tun als ob‘. Ich enttäusche Sie ja nur ungern, aber wir befinden uns nicht wirklich in einer Schlacht des Bürgerkriegs. Und wenn Sie es authentischerwollen, kann ich Ihnen gern dieses Bajonett in den Allerwertesten rammen!“
„Margaret, hör auf! Er hat recht. Tut mir leid“, sagte ich dem Soldaten der Union, den ich glücklicherweise nicht persönlich kannte. Er schüttelte den Kopf und ging weiter, nur um ein paar Meter weiter vorn erschossen zu werden.
Ich sah wieder zu meiner Schwester hinunter, die sich einen Arm über das Gesicht hielt, um die Sonne abzuschirmen. „Was Callahan betrifft, Margs: Zufällig will er auch das ganze Programm. Ehe, Kinder, einen Rasen, den er mähen kann … Das hat er selbst gesagt.“
Margaret nickte. „Tja, schön für ihn.“ Sie schwieg einen Moment. In der Ferne knallten Schüsse, gellten Schreie. Gleich würde ich wieder aufsteigen, einen Erkundungsritt unternehmen und versehentlich unter Beschuss meiner eigenen Leute geraten, was zu einer grausigen Armamputation und schließlich meinem Tod führen würde, aber ich zögerte noch. Die Sonne brannte uns gnadenlos auf die Köpfe, und aus der Wiese stieg süßlich der Grasduft auf.
„Nur eins noch, Gracie“, begann Margaret. „Hat Callahan dir je erzählt, was genau bei seiner Veruntreuungsgeschichte passiert ist?“
„Nein“, gab ich zu. „Ich habe ihn ein oder zwei Mal gefragt, aber er hat es mir nicht gesagt.“
„Frag noch mal“, riet sie mir. „Weißt du es?“
„Ich kenne ein paar Details. Ich habe nachgeforscht.“ „Und?“, fragte ich nach.
„Hat er je einen Bruder erwähnt?“ Margaret setzte sich auf und kniff die Augen zusammen.
„Ja. Sie reden nicht miteinander.“
Margaret nickte. „Das möchte ich wetten. Offenbar war der Bruder der Präsident der Firma, von der Callahan das Geld veruntreut hat.“
Ach herrje! Ich schätze, mein verdattertes Gesicht sprach Bände, denn Margaret tätschelte beruhigend mein Bein. „Fragihn, Grace. Ich wette, er wird alles erzählen, jetzt, wo ihr es treibt und alles.“
„Wie romantisch und wortgewandt du das wieder ausdrückst! Kein Wunder, dass die Klienten dich lieben!“, murmelte ich.
„General Jackson! Hier drüben ist Ihre Meinung gefragt!“, rief mein Vater, sodass ich eilends aufsaß und meine Schwester ihrem Schicksal überließ.
Für den Rest der Schlacht grübelte ich über die kleine Bombe nach, die Margaret hatte platzen lassen, und obwohl ich das ganze Programm planmäßig durchspielte, konnte ich der Verkörperung des guten Generals heute keine rechte Begeisterung abgewinnen. Als ich schließlich angeschossen wurde, glitt ich vorsichtig von Snowlights Rücken, bevor er vom Knallen der Schüsse ohnmächtig wurde, und war froh, die Sache hinter mir zu haben. Ich stöhnte die letzten, pathetischen Worte des Generals auf dem Schlachtfeld: „‚Lasst uns den Fluss noch queren und im Schatten der Bäume dann ruh’n‘“, und die Schlacht war vorbei. Gut, in Wahrheit verstarb Stonewall Jackson erst acht Tage später, aber selbst Brother Against Brother war nicht gewillt, jetzt noch eine ganze Woche Totenwache nachzuspielen.
Als ich nach Hause zurückkehrte, war es fast fünf Uhr. Es kam mir vor, als wäre ich tagelang weg gewesen, nicht nur ein paar Stunden. Aber ich hatte ja auch die letzte Nacht bei Callahan verbracht. Allein beim Gedanken daran bekam ich wieder weiche Knie und spürte ein angenehmes Glückskribbeln. Allerdings mischte sich dazu nun auch das leicht beklemmende Gefühl, noch nicht die ganze Wahrheit über ihn zu kennen.
Zunächst musste ich aber meinen Hund versorgen, der bereits unermüdlich neben mir hochsprang und bellte, um mich zu erinnern, wer meine wahre Liebe war. Ich entschuldigte mich gründlich für mein langes Fernbleiben – auch wenn meine Mutter vorbeigefahren war, um ihn zu füttern, zu bürsten und mit ihm spazieren zu gehen. Die großmütterliche Liebe hatte Angus offenbar nicht ausgereicht, denn zur Strafe für meineAbwesenheit hatte er mir einen Slipper zerkaut. Er war ein böser Hund, aber ich hatte nicht das Herz, es ihm zu sagen, wo er doch so verdammt
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