Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe sie geliebt

Ich habe sie geliebt

Titel: Ich habe sie geliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Gavalda
Vom Netzwerk:
reisen, einen Sari tragen, im Garten arbeiten, dich wecken, weil du schnarchst, in den Zoo gehen, auf den Flohmarkt, nach Paris, London, Melrose und Picadilly fahren, dir etwas vorsingen, mit dem Rauchen aufhören, dich bitten, mir die Nägel zu schneiden, Geschirr, Krimskrams und unnütze Dinge kaufen, Eis essen, Leute betrachten, dich beim Schachspiel schlagen, Jazz und Reggae hören, Mambo und Cha-cha-cha tanzen, mich langweilen, launisch sein, schmollen, lachen, dich um den kleinen Finger wickeln, ein Haus mit Blick auf Kühe suchen, idiotische Einkaufswagen volladen, die Decke streichen, Vorhänge nähen, stundenlang am Tisch sitzen bleiben, um mit interessanten Leuten zu reden, dein Kinn in die Hand nehmen, dir die Haare schneiden, Unkraut rupfen, das Auto waschen, das Meer sehen, mir alte Schinken im Kino anschauen, dich anrufen, dir grobe Sachen an den Kopf werfen, stricken lernen, dir einen Schal stricken, das scheußliche Teil wieder aufribbeln, Katzen, Hunde, Papageien und Elefanten beherbergen, Fahrräder ausleihen, sie nicht benutzen, in einer Hängematte liegen, noch einmal die Comics meiner Großmutter lesen, Kleider von Suzy anschauen, im Schatten Margheritas trinken, schummeln, den Umgang mit einem Bügeleisen erlernen, das Bügeleisen zum Fenster hinauswerfen, im Regen singen, vor Touristen flüchten, mich betrinken, dir die ganze Wahrheit sagen, mich daran erinnern, daß die Wahrheit nicht immer angenehm ist, dir zuhören, dir die Hand geben, mein Bügeleisen wieder reinholen, Liedertexte anhören, den Wecker stellen, unsere Koffer vergessen, nicht weiter durch die Gegend rennen, den Müll nach unten bringen, dich fragen, ob du mich noch immer liebst, mich mit der Nachbarin unterhalten, dir von meiner Kindheit in Bahrein erzählen, von den Ringen meiner Kinderfrau, dem Hennageruch und den Bernsteinkügelchen, Brot in Streifen schneiden, Etiketten für Marmeladengläser beschriften …
    Und so ging es weiter, Seite um Seite. Seite um Seite … Ich erzähle dir, was mir durch den Kopf geht, woran ich mich erinnere. Es war unglaublich.
    ›Seit wann schreibst du daran?‹
    ›Seit du zur Arbeit gegangen bist.‹
    ›Und warum?‹
    ›Weil ich mich langweile‹, antwortete sie in fröhlichem Ton, ›stell dir vor, ich sterbe vor Langeweile!‹
    Ich habe den ganzen Kram aufgehoben und mich auf die Bettkante gesetzt, um klarer zu sehen. Ich lächelte, aber in Wirklichkeit war ich von so viel Verlangen, so viel Energie wie gelähmt. Ich lächelte trotzdem. Sie konnte die Dinge so witzig ausdrücken, so geistreich, und lauerte dann auf meine Reaktion. Auf einer der Seiten, zwischen ›wieder bei Null anfangen‹ und ›Fotos einkleben‹, regelrecht dazwischengequetscht, stand ›ein Kind‹, einfach so, ohne Kommentar. Ich sah diese ellenlange Liste durch, ohne einen Mucks von mir zu geben, während sie sich auf die Lippen biß.
    ›Na?‹ Sie hielt den Atem an. ›Was denkst du?‹
    ›Wer sind Martha und Tino?‹ fragte ich.
    So, wie sich ihr Mund verzogen hatte, wie ihre Schultern und ihre Hand herabhingen, wußte ich, daß ich sie verlieren würde. Daß ich, indem ich diese bescheuerte Frage stellte, meinen Kopf in die Schlinge gelegt hatte. Sie verschwand ins Badezimmer und antwortete ›anständige Leute‹, bevor sie die Tür schloß. Aber anstatt ihr nachzugehen, anstatt mich ihr zu Füßen zu werfen und ihr zu sagen, ja, alles, was du willst, denn ja, ich bin auf dieser Welt, um dich glücklich zu machen, ging ich auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen.«
    »Und dann?«
    »Nichts dann. Sie schmeckte mir nicht. Wir gingen nach unten zum Essen. Mathilde war schön. Schöner denn je, kam es mir vor. Und lebhaft, und fröhlich. Alle sahen zu ihr hin. Die Frauen drehten sich um, und die Männer lächelten mir zu. Sie war – wie soll ich sagen – sie leuchtete. Ihre Haut, ihr Gesicht, ihr Lächeln, ihre Haare, ihre Gestik, alles an ihr fing das Licht ein und gab es anmutig zurück. Es war eine Mischung aus Vitalität und Zärtlichkeit, die mich immer wieder überraschte. ›Du bist schön‹, gestand ich ihr. Sie zuckte mit den Schultern. ›In deinen Augen.‹ ›Ja‹, pflichtete ich ihr bei, ›in meinen Augen.‹
    Und wenn ich heute an sie denke, nach all den Jahren, ist dies das erste Bild, das mir in den Sinn kommt: wie sie mit ihrem langen Hals, den dunklen Augen und dem kleinen braunen Kleid in diesem österreichischen Speisesaal die Schultern zuckte.
    Übrigens war es Absicht, diese

Weitere Kostenlose Bücher