Ich habe sie geliebt
außerdem war es äußerst romantisch. Mit Herzklopfen stieg ich aus dem Flugzeug, ich meldete mich im Hotel in der Hoffnung, mein Schlüssel wäre nicht mehr da, ich stellte mein Gepäck in fremden Zimmern ab und durchsuchte alles, um herauszufinden, ob sie schon dagewesen war, ich ging zur Arbeit, ich kam abends zurück und flehte den Himmel an, sie möge in meinem Bett liegen. Manchmal war sie da, manchmal nicht. Sie kam mitten in der Nacht, und wir verloren uns ineinander, ohne ein Wort gewechselt zu haben. Wir lachten unter der Bettdecke, verzückt darüber, daß wir uns hier gefunden hatten. Endlich. So fern. So nah. Manchmal kam sie erst am nächsten Morgen, und ich verbrachte die Nacht an der Bar, wo ich auf ihre Schritte in der Halle lauschte. Manchmal nahm sie sich ein eigenes Zimmer und befahl mir, am frühen Morgen zu ihr zu kommen. Manchmal kam sie nicht, und ich haßte sie. Schlechtgelaunt kehrte ich nach Paris zurück. Am Anfang hatte ich wirklich viel Arbeit, aber dann wurde es weniger. Ich ließ mir irgend etwas einfallen, um wegfahren zu können. Manchmal sah ich mir das Land an, und manchmal sah ich nichts anderes als mein Hotelzimmer. Es kam sogar vor, daß wir nicht über das Flughafengelände hinauskamen … Es war lächerlich. Es ergab überhaupt keinen Sinn. Manchmal hörten wir nicht auf zu reden, und manchmal hatten wir uns nichts zu sagen. Ihrem Versprechen treu, sprach Mathilde fast nie über ihr Gefühlsleben. Es sei denn im Bett. Sie erwähnte Männer oder Situationen, die mich verrückt machten, aber nur im Bett. Ich war dieser Frau ausgeliefert, ihrem durchtriebenen Gesichtsausdruck, wenn sie vorgab, im Dunkeln den Vornamen zu verwechseln. Ich gab mich gekränkt, war aber am Boden zerstört. Ich nahm sie noch viel brutaler, obwohl ich davon träumte, sie in die Arme zu schließen.
Wenn einer von uns beiden spielte, litt der andere Qualen. Es war vollkommen absurd. Ich träumte davon, sie zu packen und zu schütteln, bis sie es ausspuckte, ihr Gift. Bis sie mir sagte, daß sie mich liebte. Bis sie es mir sagte, mein Gott. Aber ich konnte nicht, ich war der Dreckskerl. Das alles war meine Schuld.«
Er war wieder aufgestanden, um sein Glas zu holen.
»Was hatte ich geglaubt? Daß es jahrelang so weitergehen würde? Jahrelang? Nein, das glaubte ich nicht. Wir trennten uns verstohlen, traurig und unbeholfen, ohne jemals über das nächste Mal zu sprechen. Nein, es war unerträglich. Und je mehr ich mich sträubte, um so mehr liebte ich sie, und je mehr ich sie liebte, um so weniger glaubte ich daran. Ich fühlte mich überfordert, machtlos, in meinem Netz gefangen. Gelähmt, resigniert.«
»Weshalb resigniert?«
»Daß ich sie eines Tages verlieren könnte.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Doch. Natürlich verstehst du das. Was sollte ich tun, he? Du antwortest nicht?«
»Nein.«
»Nein, du kannst natürlich keine Antwort geben. Du bist der Mensch, der auf der ganzen Welt am wenigsten dazu geeignet ist, auf diese Frage zu antworten.«
»Was genau hast du ihr versprochen?«
»Ich weiß es nicht mehr – nicht viel, nehme ich an, oder aber das Unmögliche. Nein, nicht viel. Ich besaß den Anstand, die Augen zu schließen, wenn sie mir Fragen stellte, und sie zu küssen, wenn sie auf die Antwort wartete. Ich war fast fünfzig und fühlte mich alt. Ich hielt dies für das Ende des Parcours. Ein sonniges Ende… ›Überstürzen wir nichts‹, dachte ich, ›sie ist so jung, sie wird diejenige sein, die als erste geht‹, und jedesmal, wenn ich sie wieder traf, war ich glücklich, aber auch überrascht. Wie? Sie ist immer noch da? Warum? Ich konnte nicht verstehen, was sie an mir liebenswert fand, und überlegte: ›Warum ein Chaos anrichten, da sie doch diejenige ist, die mich verlassen wird?‹ Das war unausweichlich. Es gab überhaupt keinen Grund für sie, das nächste Mal noch da zu sein, überhaupt keinen. Am Ende war ich sogar so weit, daß ich hoffte, sie wäre nicht da. Bis jetzt hatte das Leben so wunderbar die Aufgabe übernommen, Entscheidungen für mich zu treffen, weshalb sollte sich das ändern? Weshalb? Ich hatte schon unter Beweis gestellt, daß ich nicht dafür geschaffen war, die Dinge in die Hand zu nehmen. Draußen, im Beruf, ja, da war es ein Spiel, und ich war der beste, aber drinnen? Ich zog es vor, alles zu ertragen, ich zog es vor, mich zu trösten, indem ich mir sagte, daß ich derjenige war, der litt. Ich zog es vor zu träumen oder Sehnsüchte zu haben. Das
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