Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
haben, kann sie sehr entschieden sein. Und wenn sie weiß, dass sie recht hat, bezweifle ich, dass sie sich durch irgendetwas aufhalten lässt.«
»Ich weiß nicht, ob gerade Sie über Grenzen reden sollten, Mr. Forman.« Darauf geht John nicht ein. Ich male mir aus, wie er ruhig dasteht und sich Samuels’ billiges Gestichel anhört.
»Wer weiß? Jedenfalls glaube ich nicht, dass sie aufgibt, bevor sie die Wahrheit herausgefunden hat.« Samuels schnaubt missmutig. »Sie hat die beiden nicht ermordet.« Samuels lässt zum Zeichen seines Unwillens den Helm klappernd auf den Tisch fallen. »Warum sind Sie so überzeugt, dass sie es war?«
»So ein starkes Motiv, so viele Beweise, DNA-Spuren! Hören Sie! Sie hat Melody aus Eifersucht getötet und es so hingedreht, dass man an Gerry als Täter denken konnte. Und dann hat sie Lex umgebracht, weil er die Affäre überall ausposaunt hat und weil er sie bei dem Autounfall seinerseits fast umgebracht hätte … Und jetzt ist sie auch noch flüchtig. Wer unschuldig ist, flüchtet nicht. Die Sache ist klar.«
»Das können Sie so sehen, aber mich haben Sie nicht überzeugt. Ich weiß zufällig, dass Raiph Spencer morgen auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Natural History Museum auftritt.« In aller Ruhe schiebt John seine Papiere zusammen. »Und ich habe da ein paar Fragen, die ziemlich an der wohltätigen Fassade kratzen werden.«
Samuels antwortet nicht gleich. Vielleicht gähnt er auch. »Wir haben im Büro eine Wette laufen, wann sie gefasst wird. Ich habe auf vier Uhr morgens gesetzt.«
Ihre Schritte entfernen sich, und ich wage zu atmen. Allerdings stockt mir der Atem gleich wieder, als es plötzlich finster wird. Sie haben das Licht ausgemacht. Jetzt fällt die Tür ins Schloss. Das Einzige, was mich davon abhält zu schreien, ist die Botschaft, die John mir hat zukommen lassen. Ich klammere mich daran, als wäre sie ein Haken, um den meine Hand sich krallt, um das nackte Leben zu retten, während eisiges Wasser meinen Nacken umspült.
Ich zwinge mich, mir auszumalen, wie ich Paul tausend Schläge verpasse, und dann stoße ich endlich die Luke auf und entkomme meiner Klaustrophobie. Dank der Unordnung, die Max und Marcus hinterlassen haben, ist Samuels weder auf meine Teetasse noch auf die Kamera aufmerksam geworden, die immer noch auf dem Bord steht und läuft. Gleich werde ich von hier verschwinden. In einem kleinen Höhenflug drehe ich mich ganz zur Kamera hin. »Hier ist Kate Forman; ich verabschiede mich vorläufig. Es ist vier Uhr morgens. Samuels hat seine Wette verloren.«
Ich mache die Kamera aus und verstaue Speicherkarte und Laptop in meiner Tasche. Ich muss vorsichtiger sein, so einen Fehler kann ich mir nicht noch mal leisten. Da ich nicht weiß, ob John Paul erzählen wird, dass ich hier bin, ziehe ich in größter Eile die nassen Klamotten aus, stopfe sie in die Bilge und fange an, in Marcus’ Kleiderschrank zu wühlen. Am Ende sehe ich in Jeans, braunem T-Shirt, Sweatshirt und abgewetzter Lederjacke wie ein großer Schuljunge aus. Meine kostbarsten Funde sind ein Oakland-A’s-Basecap, unter dem ich mein Haar verstecken kann, und ein Schweizer Messer. Schließlich greife ich mir noch Jessies Helm, der mich um ein Haar verraten hätte, und setze ihn auf.
Ich spähe nervös durch eins der Bullaugen und wundere mich, dass niemand durch den Garten gelaufen kommt. Eine Viertelstunde nachdem John und Samuels gegangen sind, klettere ich ins Ruderboot und bin in wenigen Minuten am anderen Ufer. Lieber laufe ich durch nächtlich leere Straßen zurück zum Fahrrad, als dass ich versuche, mit meinen wunden, zerkratzten Händen noch einmal über den Zaun bei der Brücke zu klettern. Bevor ich in die kleine Gasse einbiege, schaue ich noch einmal zurück zum Haus, dem Schauplatz meiner größten häuslichen Triumphe, meiner glücklichsten Augenblicke, meines früheren Lebens. Dass ich hier in Kälte und Dunkelheit ausharren muss, während Paul behaglich bei unseren Kindern schläft, erfüllt mich mit solcher Wut, dass ich das Messer heraushole und blindlings auf das Ufergras einhacke. Für einen Moment bringen mich die Eifersucht und das Gefühl, betrogen worden zu sein, fast um den Verstand. In einem letzten Akt sinnloser Zerstörungswut durchtrenne ich das Seil, das das Ruderboot mit der Marie Rose verbindet. Dann lasse ich mich auf den Po fallen und bleibe weinend sitzen. Die Vorhänge im Schlafzimmer sind jetzt zu, das Licht ist aus. Schläfst du
Weitere Kostenlose Bücher