Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
Ziegenhirten; wie etwas, das man auf Urlaubsreisen bewundert oder sich in einem Dokumentarfilm anschaut.
»Sie sind sehr großzügig. Wie oft müssen Sie zum Beispiel bei Anlässen wie diesem erscheinen?«
»Ach, vielleicht einmal pro Woche, wobei ich schon sagen muss, der Abend heute ist mit Abstand der interessanteste seit längerem. Forwood-Events sind immer Höhepunkte. Ich vermute, weil Paul und Lex so angenehme Menschen sind, daraus erwächst alles andere.«
Wir lächeln einander an. »Aber je länger Sie mit mir reden müssen, desto öder wird der Abend.«
»Nun hören Sie aber auf!« Sie drückt meine Hand. »Und unter uns«, sie lehnt sich hinter dem Rücken des Mannes, der zwischen uns sitzt, zu mir herüber, »wenn Sie wüssten, wie es bei manchen von den Veranstaltungen zugeht, an denen ich teilnehmen muss, wäre Ihnen sofort klar, welche Lebendigkeit und welchen Charme Ihre Firma versprüht.« Wärme breitet sich in mir aus, und die kommt nicht nur vom Wein. Portia besitzt die seltene Gabe, mir das Gefühl zu vermitteln, ich sei etwas Besonderes, ja, der einzige Mensch im Raum. Wahrscheinlich ist das schlicht eine der Fähigkeiten, die sie einsetzt, um ganz nach oben zu gelangen. »Ach, und wo wir gerade von interessanten Leuten reden: Ich habe neulich eine Freundin von Ihnen kennengelernt. Jessica Booth.«
»Jessie! Wie denn das?«
»Raiph möchte ein Porträt in Auftrag geben.« Sie nickt zum Firmengründer hinüber. »Als er es mir erzählte, habe ich darauf bestanden, dass mein Kunstberater ihm ein paar Leute empfiehlt, und Jessie Booth stand auf der Liste.«
»Das freut mich aber! Ich halte sie für sehr begabt.«
Portia nickt. »Ich war letzte Woche im East End, habe mir ihre Ausstellung angesehen und sie dort getroffen. Sie hat mir gefallen – genau wie ihre Arbeiten.«
»Eigentlich hätte sie eine größere Öffentlichkeit verdient.«
»Es ist schon komisch, dass Genies oft so im Verborgenen blühen.« Sie runzelt die Stirn. »Oder ist das traurig?«
»Sehr traurig sogar.«
»Ich wünsche Ihrer Freundin jedenfalls Glück!« Ich habe zwar den Eindruck, dass sie das Gespräch gern fortsetzen möchte, aber wir werden durch einen Mann im Anzug unterbrochen, der sich zwischen uns schiebt.
Eine Stunde später sehe ich Lex in Richtung Toiletten gehen, schon zum zweiten Mal innerhalb von zwanzig Minuten. Ich staune über mich selbst, denn für jemanden, der nicht gerade für seine Spontaneität bekannt ist, entschließe ich mich ziemlich spontan, ihm zu folgen. Eine Minute warte ich vor der Tür der Herrentoilette ab. Ich mache mir an meinem Schuh zu schaffen, schaue auf die Uhr. Schließlich gehe ich hinein. Zwei Männer stehen da, aber Lex ist, wie ich vermutet habe, nicht zu sehen. Die beiden starren mich mit offenem Mund an, ziehen eilig ihren Reißverschluss hoch. Ich gehe in eine der beiden Kabinen und steige auf die Toilette. Von da kann ich immer noch nicht über die Trennwand hinwegsehen, also klettere ich noch höher, bis ich mit meinen Stilettos auf dem Spülkasten balanciere.
Lex hackt auf dem Porzellan eine fette Linie Koks zurecht. Als er mich entdeckt, lässt er um ein Haar seinen Zwanzig-Pfund-Schein fallen. »Kate, Scheiße, was machst du hier? Ich meine, da oben?« Für einen Moment entspannt er sich etwas. »Willst du was abhaben? Ach nein, entschuldige, ich hab’s nicht so gemeint.« Es ist mit Händen zu greifen, wie unwohl er sich fühlt.
»Wann genau habt ihr euch am Montag getrennt, Paul und du?« Grinsend wischt er sich unter der Nase entlang. »Überleg dir genau, was du mir erzählst. Das hier ist eine große Forwood-Veranstaltung, Lex; Paul wäre nicht begeistert, wenn er wüsste, was du hier treibst. Und ich denke, wenn du mich anlügst, wird er es erfahren.«
Er zögert, rollt den Zwanziger zwischen Daumen und Zeigefinger zu einem dünnen Rohr. »Ich bin gegen halb zehn gegangen. Wir haben einfach was getrunken.«
»Wo ist Paul hingegangen?«
Unbeeindruckt beugt er sich vor und schnupft sein Kokain. »Weiß ich nicht. Er meinte, er will nach Hause. Du bist mit ihm verheiratet, das ist dein Problem.« Dann schaut er herausfordernd zu mir hoch. »Sicher, dass du nicht einen kleinen Muntermacher willst?«
Wäre ich bei ihm in der Kabine, ich würde ihm eine runterhauen. Ich kann ziemlich derb werden, wenn ich betrunken bin. Ich würde mich vorbeugen zu seinem Gesicht, das von zu viel Feiern und zu vielen Schmeicheleien gerötet ist, und zusehen, dass ich
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