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Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)

Titel: Ich habe sie getötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ali Knight
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Oberkörper: Brustkorb, muskulöse Schultern und lange Arme, die sich schützend um die Kinder legen. »Geht es um Melody?«
    Das Gesicht von DS White scheint von Natur aus streng. Sie mustert mich aus zusammengekniffenen Augen. »Haben Sie sie gekannt?«
    »Ja … es tut mir sehr leid, möchten Sie etwas trinken oder essen?« Sie schütteln beide den Kopf.
    »Wir wollen klären, wo Paul am Montagabend gewesen ist. Um ihn für die weitere Untersuchung ausschließen zu können«, sagt O’Shea.
    »Ich dachte, Sie hätten Gerry Bonacorsi verhaftet. Das habe ich doch vorhin in den Nachrichten gesehen.«
    »Wir sprechen momentan mit sehr vielen Leuten. Diese Information hätte gar nicht nach außen dringen dürfen.«
    »Aber das weiße Seil belastet ihn ziemlich, oder?«
    Die beiden Frauen werfen einander einen Blick zu, den ich nicht deuten kann. »Würden Sie sich einfach mal kurz an Montagabend erinnern?«, hakt O’Shea nach.
    »Montag …« Ich tue so, als falle es mir schwer, bis an den Anfang der Woche zurückzudenken. »Heute ist Freitag …« Ich schüttle den Kopf. »Wahrscheinlich war er hier, waren wir zusammen. Was gab’s noch mal im Fernsehen am Montag?«
    Ich frage den Raum. Die Antwort ist Schweigen.
    »Werden Sie meine Mutter ins Gefängnis stecken?«, fragt Josh.
    DS White atmet geräuschvoll ein.
    »Gehst du bitte mit Ava in die Küche, Josh? Ich habe mit den Polizistinnen etwas zu besprechen.« Ava beginnt zu jammern. »Geht. Nehmt euch was Süßes aus dem Schrank.« Ich sehe O’Shea an und verdrehe verschwörerisch die Augen, ernte aber nur ein schwaches Lächeln. Wahrscheinlich kriege ich sie, aber es ist harte Arbeit. »Was Süßes, was Süßes.« Ich wedele mit der Hand, und sie treten unsicher den Rückzug an. »So ist es besser. Ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren, wenn sie dabei sind.«
    »Erzählen Sie«, sagt White.
    »Wie handhaben Sie in so einem Fall die Untersuchung? Befragen Sie alle bei Forwood?«
    O’Shea lächelt unbeteiligt. »Wir gehen systematisch vor.« Sie gibt überhaupt nichts preis, und ich weiß, wenn ich mit ihr pokern würde, wäre ich im Nu fünfzig Mäuse los.
    Ich nicke. »Schreckliche Geschichte.«
    »Wir versuchen, uns ein Bild von ihrem Leben zu machen.«
    »Sie war gerade mal sechsundzwanzig, hatte noch alles vor sich.« Ich schüttele den Kopf und fahre mir über die trockenen Augen.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagt White.
    »So jung«, fügt O’Shea hinzu, beugt sich vor und stützt die Ellbogen auf die Knie, als wollte sie ihren Rücken entlasten. Einen Moment lang herrscht Schweigen. Die beiden sind sicher jenseits der vierzig, beginnen alt und grau zu werden. Ich würde wetten, dass White Kinder hat, wahrscheinlich schon erwachsen. O’Shea trägt einen Ring, aber um ihren Mund ist so ein angespannter, enttäuschter Ausdruck. Für einen Augenblick sind wir vereint im Nachdenken über die Chancen, die wir ungenutzt haben verstreichen lassen; die Dinge, die wir doch nie getan haben; darüber, wie weit wir uns schon von unserer Jugend entfernt haben.
    »Wie gut kannten Sie sie?«, fragt O’Shea.
    »Nicht näher. Ich bin ihr einmal auf einer Party begegnet, nur ganz kurz. Sie hat an Inside-Out mitgearbeitet, wie ich auch, aber in dem Zusammenhang hatten wir nie miteinander zu tun. Ich mache jetzt Recherchen für Crime Time, das ist auch ein Projekt von ihr.«
    »Also haben Sie mit Gerry Bonacorsi gearbeitet?«, fragt White, in einem Ton, der O’Shea veranlasst, sie scharf von der Seite anzusehen. Trotz allem, was sie gehört und gesehen hat, ist White beeindruckt; obwohl sie weiß, was er vor dreißig Jahren – und jetzt vielleicht wieder – getan hat, ist Gerry in ihren Augen ein Promi, ein Name. Er ist wer, und sie und O’Shea und ich, wir sind Nobodys. Sie kann den Anflug von Bewunderung nicht ganz verbergen, Doppelmord hin oder her. Es ist nicht zu übersehen, dass sie sich vom Glorienschein der Berühmtheit angezogen fühlt wie eine Motte vom Licht.
    Ich schweige einen Moment. Sie lauert auf eine Anekdote über Gerry. Ich soll ihr etwas bieten, etwas, das sie Freunden und Verwandten erzählen kann, das ihren Job ein bisschen bunter aussehen lässt. Ich überlege kurz, ob ich das bedienen soll. Es wäre so einfach: Ich habe Stunden über Stunden Filmmaterial über Gerry gesehen – wie er in seiner Zelle sitzt und irische Balladen singt; wie er im Waschraum geduldig die Houdini-Witze von Mithäftlingen über sich ergehen lässt (über den

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