Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
ich es.«
Es nützt nichts. Er gibt immer noch mehr Gas, ein Lächeln umspielt seinen Mund. »Großartige Rede, edle Absichten! Du bist ein kleiner Bluthund, was?« Ich verkrampfe mich in dem ergonomischen Sitz. Wir fliegen an einem Schild vorbei; es kündigt an, dass in Kürze aus drei Spuren zwei werden. »Schnüffelst überall herum, rennst hin, wenn ein Stock weggeworfen wird. Eigentlich ein guter Name für eine Fernsehshow. Bluthund . Die coole neue Krimiserie.«
»Lex! Lex!« Unsere Spur beginnt sich zu verjüngen. Seine Medienphantasien interessieren mich im Augenblick einen Scheiß.
Er ignoriert mich, redet einfach weiter wie in Trance. »Bluthund. Die Frau, die Verrat riechen kann … die verbissen …«
Ich höre ihm nicht mehr zu. Ich sehe nur Leitkegel und immer neue Schilder, die zum Tempodrosseln aufrufen. »Lex! Um Himmels willen, pass auf!« Er kommt von der Straße ab und kann nicht einfach zurück, weil neben uns jetzt ein Van fährt. Ich höre ihn leise fluchen, und dann wird mit einem schrecklichen metallischen Kreischen seine Seite des Wagens aufgeschlitzt. Wir schleudern die vierspurige Straße entlang, prallen an der Leitplanke vorm Mittelstreifen ab, trudeln quer über die Fahrbahn auf den Seitenstreifen und gegen eine Böschung und wieder zurück über die Fahrbahn, und bei jedem neuerlichen Knirschen wünsche ich mir sehnlichst, meine Kinder noch einmal riechen zu dürfen, denn am Ende glaube ich doch an nichts als meine Liebe zu ihnen; doch mit jedem Rums wächst meine Qual, weil ich weiß, dass ich sie nie wiedersehen werde. Lex schreit irgendwas, übertönt die quietschenden Bremsen; von allen Seiten wird gehupt, dann rasen wir die Grasböschung hoch, und so plötzlich, wie alles angefangen hat, kommen wir dort zum Stehen, das Heck über dem Seitenstreifen halb in der Luft.
Ganz still sitze ich da, fühle dankbar jeden Herzschlag, nehme jeden Atemzug wahr, als wär’s der erste. Dann raffe ich mich auf und drehe mich um, sehe Autoscheinwerfer in ungewohntem Winkel und dunkle Schatten, die auf uns zukommen. Mit riesiger Erleichterung mache ich mir klar, dass wir wenigstens nicht noch einen anderen Wagen gerammt haben. Etwas Warmes rinnt mir über die Stirn.
»›Bluthund‹. So werde ich dich jetzt immer nennen, Kate. Das verstehen dann nur wir beide.« Er lacht bitter. »Unser kleines Geheimnis. Ich werde niemandem davon erzählen, versprochen. Und ich hoffe, du wirst dem Namen gerecht.«
Er ist immer noch in seiner Fernsehwelt. Mir reicht es endgültig. »Du durchgeknallter Scheißkerl!«, fauche ich.
»Du hast dich geschnitten.« Er kramt in seiner Tasche, wobei er mich nicht aus den Augen lässt.
»Nein, du! Du hast mich geschnitten. Du hast komplett den Verstand verloren!«
»Was hast du in meinem Büro gesucht? Na los, sag schon, Onkel Lex muss das wissen.«
»Was ich gesucht habe?« Jetzt schreie ich. »Du kapierst es einfach nicht! Du mit deinem Schmalspurdenken – Glück hier, Status da, Geld hinten und vorn. Alles Bullshit! Es gäbe tausend Gründe, die du dir nicht mal vorstellen kannst. Ja, genau, danach habe ich gesucht: nach einem Grund, nach etwas, das so viel wert ist, dass jemand dafür eine junge Frau ermordet. Kontrolle. Da hast du einen Grund. Oder wie wär’s mit Scham? Ach ja, natürlich, so was kennst du ja nicht. Mein Gott, soweit ich weiß, hast du sie umgebracht, weil du sie irgendwann nicht mehr nur gevögelt, sondern auch – Schrecken aller Schrecken – angefangen hast, ihr zu vertrauen, weil du dich verliebt hast. Und jetzt hast du versucht, mich auch noch umzubringen!« Ich ohrfeige ihn heftig, und in dem Moment wird meine Tür aufgerissen, und da sind Leute, die ich nicht richtig erkennen kann, und überall auf meinem Körper sind zudringliche Hände.
»Sie steht unter Schock«, ruft jemand.
»Stehe ich nicht!«
Lex zieht ein Tuch hervor und drückt es gegen meine Schnittwunde. »Du musst reinen Tisch machen, Kate. Da lasse ich nicht locker. Du deckst ihn, und ich werde rausfinden, warum.«
»Holt sie aus dem Wagen! Der kann explodieren!« Der Wind trägt die Stimme von weiter her zu uns herüber.
Ich falle mehr oder weniger aus der Tür und wanke ein paar Schritte die Böschung hinauf, während Lex neben seinem ramponierten Luxuswagen stehen bleibt und sich aufs Dach lehnt. Am liebsten würde ich irgendwas eigenhändig zermalmen, doch stattdessen renne ich einfach los.
»Helfen Sie doch der armen Frau!«, ruft ein Mann. Ich bin
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