Ich habe sie getötet: Roman (German Edition)
bestimmt!«
»Bitte kommen Sie in unsere Sendung«, sage ich und gebe ihm das Handy. Er antwortet nicht. Als ich gehe, steht er da und dreht einen Ring an seinem Finger hin und her. Ich wüsste gern, wie er zu dem gekommen ist.
Ich fahre zurück nach London. Vom Zug aus rufe ich Livvy an und erzähle ihr von meinem Coup. Sie holt mich schnell auf den Teppich.
»Erst mal sehen, ob er aufkreuzt. Warum hast du das Interview nicht gleich an Ort und Stelle gemacht? Ich hätte Matt schicken können, damit der es macht«, meckert sie. »Du musst jetzt übrigens nach Woolwich.«
»Woolwich?«
»Eine Freundin von Melody hat sich gemeldet. Sie hat altes Videomaterial; Melody, wie sie einen Zauberer spielt. Kann uns vielleicht nützlich sein.«
»Können wir da nicht einen Kurier hinschicken?«
»Können wir nicht. Sie will das Material nur persönlich übergeben, und diese Person bist du.« Ich unterdrücke ein Stöhnen. Woolwich ist endlos weit weg; von hier aus gesehen genau am anderen Ende von London und noch dazu weit entfernt von zu Hause. Außerdem hört sich das an, als ginge es um eher unbedeutendes Hintergrundmaterial. In meiner schmerzenden Schläfe pocht Protest. »Niemand hat je behauptet, dass Fernseharbeit was Glamouröses ist, Kate! Ab mit dir, sie ist heute Abend dran!« Ich sacke in meinem Sitz zusammen und schicke meiner Chefin unfreundliche Gedanken. Als der Zug am Bahnhof Paddington hält, checke ich über das Handy die Rennergebnisse von Cheltenham. Crystal Clear ist am dritten Hindernis gestürzt.
Es kostet mich Stunden, das zu erledigen. Die Freundin ist geschwätzig. Während sie mir das Video vorspielt, redet sie pausenlos dummes Zeug. Als sie fünfzehn waren, haben Melody und sie in einer Schultheaterproduktion mitgespielt. Der Film ist von schlechter Qualität und völlig uninteressant, und ich nehme ihn gar nicht mit. Ich verabschiede mich und kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Während ich noch durch diesen mir unbekannten Teil des südöstlichen London gehe, ruft Paul an.
»Wie fühlst du dich?«
»Schrecklich.« Das ist eine Untertreibung. Ich habe heftigste Kopfschmerzen und bin matt, völlig erschöpft. Außer einem Doppeldecker-Bacon-Sandwich, das ich mir im Zug gekauft habe, habe ich heute noch nichts gegessen. Es liegt mir wie Zement im Magen, und ich habe das Gefühl, es könnte mir bald wieder hochkommen. »Dieser ganze Besuch hier draußen ist ein Ablenkungsmanöver.«
Paul seufzt mitfühlend. »Du gehörst nach Hause, aufs Sofa. Ich bin in Woolwich, am Fähranleger.«
»Was machst du denn hier?«
»Ich hatte was zu erledigen. Marcus passt auf die Kinder auf. Du musst dich hinlegen, immerhin hattest du einen Schock.«
Ich danke ihm und steuere auf den Fähranleger zu. Es pocht in der Wunde, und im selben Rhythmus schlägt die Tasche bei jedem Schritt gegen meine Hüfte. Vielleicht war es dickköpfig von mir, nicht ins Krankenhaus zu fahren. Paul lehnt am Geländer. Er umarmt mich und nimmt mir die große Tasche ab. »Du hättest heute nicht arbeiten sollen. Dir geht’s doch nicht gut.« Ich will mich an ihn lehnen, doch er hält mich mit gestreckten Armen auf Abstand. »Aber was du da mit Gerry hingekriegt hast – toll! Warum hast du mir nicht erzählt, dass du hinter ihm her bist?«
Ich bemühe mich um ein gleichgültiges Achselzucken, aber in Wahrheit aale ich mich in seinem Lob. »Ich wusste ja nicht, ob ich ihn finden würde.«
»Livvy ist tief beeindruckt.«
»Ach ja? Am Telefon war davon nichts zu merken.«
»Du weißt doch, wie sie ist. Sie kann das nur nicht zum Ausdruck bringen.«
»So ist es wohl.«
Nach kurzem Schweigen sagt Paul: »Aber ich finde es wichtig, dass du so was nicht mehr machst, ohne mir vorher Bescheid zu sagen. Das kann auch gefährlich werden. Ich will schließlich nicht, dass dir was passiert.«
Ich runzele die Stirn, und sofort schmerzt die Wunde heftiger. Also gebe ich mich geschlagen. »Ja, du hast wohl recht. Wo steht das Auto?«
Paul deutet zum anderen Ufer hinüber. »Drüben. Wir laufen hin.«
»Oh. Können wir nicht mit der Fähre fahren?« Ich bin erschöpft und würde mich sehr gern setzen.
»Die verkehrt nur bis um acht. Komm schon, das andere Ufer ist ja in Sicht.« Er nimmt meinen Arm, schiebt ihn durch seinen, und wir gehen auf das runde Backsteingebäude zu, in dem sich der Eingang zum Woolwich-Tunnel befindet. Paul steuert die Treppe an.
»Können wir nicht den Fahrstuhl nehmen?« Ich drücke auf den
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