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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Festen das Abtrocknen der Stirn des Hauptmusikers ein Privileg der Häuptlingstochter sei, als Zeichen des Dankes und der Bewunderung für die erbrachte Leistung.
    Am Nachmittag führte man uns noch zu einer Ansamm lung von Betonhütten, vor denen ein ungewöhnlich großes Xylophon stand. Drei Musiker bespielten es. Der Erste begann, eine Melodie in einem bestimmten Rhythmus zu schlagen, der Zweite fiel synkopisch dazu mit einer gegenläufigen Melodie ein. Der Dritte lauschte lange und spielte dann ausschließlich auf all jenen Stäben, die noch nicht angeschlagen worden waren, und zwar mit einem die beiden anderen begleitenden, aber versetzten Rhythmus. Dabei sprangen die Spieler wie tanzend um das Instrument herum. Eine Meisterleistung! Mir wurde diese Spielweise später erläutert, Stockhausen dagegen hatte sie sofort musikalisch erfasst.
    Die Spieler gaben ihr Xylophon dann frei und überreichten die Klöppel unseren drei deutschen Musikern, die sich nun an dem Instrument versuchten. Es gelang nur mühsam und wurde von unterschiedlichen Reaktionen der Zuhörenden begleitet: kindliches Gelächter, wenn danebengeschlagen wurde, freudiger Applaus, als es schließlich nach zehnminütiger Probe zwar holprig, aber doch einigermaßen richtig anlief. Wir waren beschämt in unserem bornierten europäischen Überlegenheitsgefühl. Rhythmisch konnten wir hier bei Weitem nicht mithalten.
    Wir hatten das Glück, an diesem Wochenende auch noch Hugh Tracey vorgestellt zu werden, einem englischen Anthro pologen, der bei Johannesburg ein Musikinstrumentenmu seum leitete. Die Instrumente hatte er gesammelt, indem er sie den afrikanischen Einwohnern im Busch auf sehr einfallsreiche Weise abkaufte. Wenn er einen Musiker mit einem schönen Instrument traf, bot er ihm eine kleine Geldsumme als Vorschuss dafür, ein ebensolches für ihn nachzubauen. Ein Auftrag also. Nach Erfüllung der Aufgabe überließ Tracey dem Musiker das neu gebaute Instrument und erbat von ihm das ursprüngliche, das er mit einer zweiten Zahlung belohnte. So konnte er ständig seine Sammlung erweitern, ohne die Musiktradition zu gefährden. Denn hätte er die Originalinstrumente einfach nur abgekauft, hätten die Leute es möglicherweise nicht für nötig gehalten, sich ein neues zu bauen.
    Hugh Tracey und sein Sohn David unternahmen auch Expeditionen weit über die Grenzen Südafrikas hinaus in den Norden. Einmal war es vorgekommen, dass sie zu spät kamen auf ihrer Suche. Sie fanden nur noch die verbrannten Trümmer von Instrumenten und Kalebassen und wussten, der gesamte Clan mit Häuptling und allen Angehörigen war verjagt oder gar getötet worden, die Musikinstrumente, Fetische und Skulpturen zerstört. Tracey oder sein Sohn fischten dann die Überreste der Instrumente aus dem Scheiterhaufen des verbrannten Dorfs heraus und konnten so wenigstens gewisse Teile in ihr Museum retten.
    Ähnliches unternahm der deutsche Galerist Egon Günther, der Schmuck, Amulette, Fetische und Perlenarbeiten in einem Museum sammelte, zwar auch immer wieder Stücke aus seiner Sammlung verkaufte, aber nur, um dafür Neues hinzuzu fügen. Wir kauften einige Stickereien, mit Perlen hergestellte Dreiecksornamente. Günther erklärte uns, es handle sich um Liebesbotschaften einer Braut an ihren zukünftigen Mann. Die Antwort des Mannes bestand aus einer Muschel, aus der kunstvoll eine flache Schale herausgeschmirgelt war. Es schien mir ein handwerkliches Wunder, einer Muschel die Grundform einer Scheibe mit Loch abzuringen. Monate schmirgelten die Männer an so einer Brautgabe, die hauchdünn war und immer zerbrechen konnte.
    Wir nahmen auch noch an einer Safari ins Land der Zulus teil, die zu einer Reise in eine andere Zeit werden sollte. Mit Packtieren und Trägern wurde durch die Savanne gezogen, doch schon am zweiten Tag traten unsere schwarzen Begleiter in Streik. Sie wurden mürrisch, setzten sich in den Sand und verweigerten den Weitermarsch. Der Übersetzer half uns, sie zu verstehen. Ihre Seele komme nicht mit, das gehe alles viel zu schnell, man habe weder die Ahnen gewürdigt noch mit der Natur Zwiesprache gehalten. Wir beschlossen, die restliche Zeit in ihrem Rhythmus zu verbringen. Sie sollten führen, wir würden folgen. Welch ein Unterschied das nun war! Immer wieder hielten sie an, um kleine Zeremonien und Rituale abzuhalten, man schien für jeden Schritt die Gunst der Geister und Naturwesen zu erbitten. Wir tauchten ein in eine archaische Welt und verfielen deren

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