Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
Vom Netzwerk:
sagte mir später, sie seien aus einem weiten Umkreis hierhergewandert, um der Bestattung dieses Lehrers beizuwohnen.
    Wir hatten verabredet, uns zu einer bestimmten Zeit bei den Kokosnüssen einzufinden, und so mischte ich mich wieder unter die Menschenmenge. Bald würde es dunkel werden, es war Zeit für den Rückweg. Der Amerikaner fand sich ebenfalls ein, und wir machten uns wieder auf zur Brücke. Unten im Flussbett, wir trauten unseren Augen kaum, erkannten wir am roten Turban den Bettler vom Morgen wieder, der gerade dabei war, all sein Erbetteltes mit großen Gesten zum Himmel hinauf in den Fluss zu werfen. Auch die Zigarre unseres Begleiters landete im Wasser und trieb davon. Lachend und nachdenklich meinte er: »Jetzt habe ich begriffen, ich sollte das Rauchen aufgeben.«
    Wir lehnten noch am Brückengeländer. Die Flussufer waren jetzt dicht besetzt. Es wurden Feuerchen entzündet, es wurde gekocht, gegessen, gefeiert. Girlanden und Blumengebinde trieben den Fluss hinunter. Unser Führer erzählte uns, dass jedes Jahr genau drei Tage nach dem Junivollmond ein gewaltiger Regen einsetze und mit einer großen Flutwelle alles davonschwemme, dann reichten die Wassermassen fast bis an die Brücke. Damit sei dann alles wieder sauber. Anders sei es noch nie gewesen, die Gläubigen hielten den Regen natürlich für ein Geschenk der Götter, er habe aber auch noch niemanden gefunden, der ihm das Phänomen wissenschaftlich habe erklären können.
    Nach unserer Heimkehr nach Deutschland stürzten wir uns wieder in eine intensive Arbeitsphase. Die vielen Eindrücke der Reise wollten festgehalten werden und Verwendung finden. Ich verließ frühmorgens mit den Kindern das Kürtener Haus, um ins Atelier nach Forsbach zu fahren. Oft mochten die Kinder abends gar nicht zurück, waren lieber in Forsbach bei Tante Suse und Onkel Löw. Noch arbeitete ich aber auch im Kürtener Atelier, wo ich einige große Leinwandbilder fertig malen wollte. Das bedeutete viel Farbe, viel Kleckerei, oft war ich selber mit eingefärbt.
    Gegen Abend pflegte ich mich aber immer herzurichten und all das anzulegen, was Stockhausen an Frauen schätzte. So glaubte ich zumindest. Doch eines Abends, als er früher als erwartet nach Hause kam, erwischte er mich noch mitten bei der Arbeit und im bunt befleckten Malkittel. Er stutzte, nahm mich mit den Worten »Mariechen, so habe ich dich geliebt!« in die Arme und gleich danach ins Bett. Daraufhin habe ich fast alle meine gekünstelten Kleidungsstücke, Mieder, Strapse, BH s und die meisten meiner unbequemen hochhackigen Schuhe in die Mülltonne geworfen. Dieses Zeug hatte mit mir selbst nichts zu tun, es war bloße Inszenierung.
    Nach einigen Wochen bemerkte ich, dass ich schwanger war, diesmal nicht geplant. Und Stockhausen, dem ich es gesagt hatte, flehte mich an: »Mariechen, endlich haben wir uns wieder. Unsere Kinder sind aus dem Babyalter heraus. Unser Haus ist abbezahlt, du musst nicht mehr Geld mitverdienen. Wenn wir jetzt wieder ein Baby in die Welt holen, bist du die nächsten drei bis vier Jahre wieder woanders, jedenfalls nicht bei mir. Ich bitte dich inständigst, schick diese Seele zurück um unserer Liebe willen.«
    Ich haderte lange mit mir und entschied mich dann gegen meine innere Stimme dazu, das Kind nicht zu bekommen. Das war mein Fehler, denn statt der Rettung und Festigung unserer Ehe bewirkte ich damit schließlich ihr Ende. Ich stürzte nach der Abtreibung in eine tiefe Depression, wurde von quälenden Albträumen heimgesucht, in denen sich immer wieder dieselbe Szene abspielte: Ich vergrub ein wunderschönes Musikinstrument in die tiefste Erde, eine Verknüpfung aus Harfe, Cembalo, Geige und einem Echorohr. (Jahrzehnte später baute ich mir tatsächlich ein Echorohr aus Bambus, um die Melodien, die ich der Natur ablauschte, ins Rohr hineinzusingen, denn ich hörte immer öfter, was ich »musikalische Signaturen von Landschaften« nenne.)
    In meiner erotischen Beziehung zu Stockhausen war ich nun wie blockiert. Bis dahin hatte mich seine Nähe immer regelrecht elektrisiert, wir hatten uns angezogen wie Magnete. Nun erlosch bei mir jedes Verlangen, meine Leidenschaft war wie tot. Stockhausen hatte eine Affäre mit der Gräfin Anne begonnen. Das akzeptierte ich. Auf allen anderen Ebenen lief unser Zusammenleben zunächst störungsfrei weiter, die Gespräche, die Besuche von Familie und Freunden, die Verwaltung von Haus und Hof.
    Doch offenbar suchte ich unbewusst nach einem neuen

Weitere Kostenlose Bücher