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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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unserer Südafrikareise einen intensiven Flirt mit einer weiteren Frau gehabt, aber das war nicht der eigentliche Grund für meinen jetzt doch festen Wunsch, unsere zu enge Verbindung zu beenden oder zumindest noch einmal zu unterbrechen. Auch die fremde Haarspange, die ich eines Tages daheim in unserem Bett gefunden hatte, war es nicht. Ich wunderte mich eher, dass eine solche Kleinigkeit mich gefühlsmäßig so aufwühlen konnte, mehr als andere, wesentlichere Dinge, denn ich hatte Symptome von Diabetes entwickelt. Mein Körper zeigte mir offensichtlich etwas an, was mein Verstand nicht wahrhaben wollte: Zu lange hatte ich eine Lebensweise akzeptiert, die ich nicht durchstehen konnte. Auch meine Mutter hatte eine Veränderung meines Wesens bemerkt: »Kind, du verlierst deinen Humor! Was ist los?«
    Die von mir ins Auge gefasste Loslösung galt es diesmal bedachter, aber auch gründlicher als beim letzten Mal anzugehen. Es handelte sich ja nicht um einen dramatischen Konflikt, um eine entstehende Feindschaft, sondern um eine Verschiebung in unseren Gefühlen füreinander: von der erotischen Leidenschaft hin zu einer beinahe geschwisterlichen Liebe.
    Zunächst einmal zog ich aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer im Kürtener Haus aus in das Zimmer, das Doris früher bei ihren Wochenendbesuchen benutzt hatte. Es lag beim Kindertrakt und sollte mich in den nächsten Wochen inniger mit Julika und Simon verbinden. Ich lebte in ihrem Rhythmus, jeden Abend erfand ich für sie eine »Froschgeschichte«, eine Serie, auf deren Fortsetzung sie sich immer sehr freuten, und da ich ahnte, dass es wohl unsere letzte Zeit als vollständige Familie unter demselben Dach sein würde, versuchte ich, die Stimmung möglichst harmonisch zu halten. Ganz gelang mir das freilich nicht, immer wieder irritierten mich Kleinigkeiten, brachte mich etwas aus der Balance. Einmal warf ich wütend einen Salatkopf in die Küchenecke, worauf Simon mich erstaunt fragte, was der mir denn getan hätte. Ich schämte mich für meine Unbeherrschtheit, so konnte und sollte es nicht weitergehen. Auch Doris schien etwas zu ahnen. Bei einem ihrer Besuche warf sie mir, als sie meinen Umzug in ihr Zimmer bemerkte, einen verständnisvollen Blick zu.
    Alles Organisatorische hatte ich an diverse Helferinnen und Helfer delegiert und wurde dafür nicht mehr gebraucht. Meine Bücher, die Kleider und die meisten Kindersachen waren bereits in Forsbach. Mein Kürtener Atelier wurde zum großen Musikraum umfunktioniert, in meinem Zeichenzimmer richtete ich ein Büro ein. In der Folge all dieser Veränderungen verschwanden auch meine Diabetessymptome wieder.
    Stockhausen hatte mein Forsbacher Haus immer als Bedrohung unserer Einheit empfunden, obwohl ich dadurch von ihm vieles, was ihn störte, fernhalten konnte. Meine Arbeit vollzog sich dort, die Kinder durften im selbstorganisierten Kindergarten mit Gleichaltrigen toben, Menschen, die er nicht sehen wollte, konnten mich dort besuchen, und vieles mehr. Trotzdem hatte er meinen endgültigen Auszug immer befürchtet: »Wer sich schon ein eigenes Haus baut, der will mich verlassen.« Nun hatte er recht behalten.
    Für die in Südafrika vereinbarte Auszeit, eine Ehepause könnte man es auch nennen, hatte er den Mai 1971 vorgeschlagen, dann sei er sowieso mit Anne als Begleiterin auf Tournee. Nun näherte sich der Termin. Der Gedanke an Philipp und mein Kinderwunsch zogen mich nach Amerika, eine andere Seite in mir tendierte eher nach Indien, nach Auroville zum Aschram von Aurobindo. Das Buch über ihn hatte mich ja einmal so getröstet. Ich ließ die Entscheidung buchstäblich bis zum letzten Tag offen. Zu jener Zeit waren noch in beide Richtungen jederzeit genügend Flüge frei, und an Geld mangelte es mir auch nicht.
    Ich hatte mit Schwester und Schwager verabredet, dass sie sich während meiner Abwesenheit wieder um die Kinder kümmern und sie bekochen würden. Wir lebten ja jetzt im gemeinsamen Haus, so war es keine große Umstellung. Meiner vegetarischen Mahlzeiten waren die Kinder ohnehin überdrüssig. Allzu oft hatte ich mir anhören müssen: »Mama, komm, das Mittagessen wird welk!« Einmal wöchentlich würden die beiden zum Vater nach Kürten gebracht werden, wenn der im Lande war.
    Hatte ich trotzdem ein schlechtes Gewissen? Nein! Ich wollte mich einmal so ungebunden fühlen wie Stockhausen . Mir war bewusst geworden, dass ich die letzten Jahre hindurch mein Künstlerleben immer nur in Zeitlücken, die mir die

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