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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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Zauber. Was hatte die Menschheit alles verloren durch ihren sogenannten Fortschritt! Hier war sie noch Teil der Natur.
    Wir erfuhren auch, dass die schlimmste Strafe für einen Eingeborenen nicht etwa die Tötung sei, sondern der Ausschluss aus dem Clan. Als Einzelwesen war er verloren. Vergehen wurden im Clan gemeinsam gelöst, Eheprobleme mit dem ganzen Dorf, den Ältesten, den Eltern besprochen, vor großer Runde ausgebreitet. Die beiden Partner saßen dabei Rücken an Rücken gelehnt in der Mitte, im Kreis um sie herum die Angehörigen. Die Worte und Anklagen wurden von den Partnern in die Runde gesprochen, von dieser reflektiert und dann kommentiert den beiden zurückgegeben, wie in einem Ballspiel. Als Außenstehender musste man ihre Sprache gar nicht verstehen, um das Versöhnliche dieses Zeremoniells zu empfinden. Das Kollektiv trug mit an dem Leid des Einzelnen – daher empfanden sie den Ausschluss aus dieser Gemeinschaft eben als härteste Strafe.
    Am Ende der Südafrikareise trafen wir beim Konzert der Gruppe Stockhausen in Johannesburg auf einige junge weiße Studenten der National Union of South African Students, die äußerst radikal eingestellt waren. Sie lehnten sich auf gegen die Gesetze der Apartheid, kämpften mit Pamphleten und Liedern für die Rechte der Schwarzen. Sie hatten sich offenbar ganz bewusst an Stockhausen gewandt, um ihm ihr Anliegen nahezubringen, denn als Erneuerer der Musik und Abgesandter des Goethe-Instituts erwarteten sie von ihm eine Stellungnahme zu ihren Gunsten. Die Goethe-Institute galten ja nicht nur als Kulturvertretungen, sondern zugleich als Vermittler von demokratischen Werten. Zur Untermauerung ihrer Forderungen luden sie uns zu einem Besuch in Soweto ein, dem Zusammenschluss von Townships für die schwarze Bevölkerung im Südwesten Johannesburgs.
    Begleitet wurden wir dabei von Steve Biko und seinen schwarzen Freunden, die bei der Rechtfertigung unseres Eindringens in dieses Territorium behilflich waren. Als Weiße waren wir dort nicht gerade erwünscht. Doch wie ich es schon 1964 in Harlem erlebt hatte, erkannten die Schwarzen in uns auch hier Europäer, die von weither kamen, also nicht zu den im Land herrschenden Unterdrückern gehörten, so war eine Verständigung möglich, eine gegenseitige Sympathie, ohne Worte, nur durch Augenkontakt. Steve Biko war der aktivste und leidenschaftlichste Vertreter einer von ihm mitgegründeten Studentengruppe, und er sollte seinen Kampf für eine Gleichstellung der Schwarzen in den folgenden Jahren konsequent weiterführen, mit traurigem Ausgang. Er landete 1977 in einem Gefängnis in Port Elizabeth, wurde dort schwer gefoltert und erlag nach dem Transport nach Pretoria den ihm zugefügten Verletzungen. Heute wird er als Märtyrer des Kampfes gegen die Apartheid verehrt.
    Uns fiel auf, dass trotz der Bedürftigkeit der Bewohner in Teilen der Siedlungen von Soweto eine geradezu ausgelassene Stimmung herrschte, zumal dort, wo die Frauen ihre einfachen Behausungen mit kleinen Mitteln geschmückt und verschönert hatten. Angesichts der Genügsamkeit der Menschen und besonders der Kinder, die sich in zerschlissenen Kleidungsfetzen eigene Fantasiewelten aus Müll erbauten, schämten wir uns für unser Luxusleben in Europa. Wie unzufrieden wir doch trotz unseres vergleichsweise großen Reichtums manchmal sind, wie wenig wir ans Teilen denken!
    Ganz am Schluss der Reise führte man uns noch zu einem sogenannten Medizinmann. Wir sollten uns doch mal »die Stöckchen legen« lassen. So wie man schon mal ein Los zieht, ohne sich dabei große Hoffnungen zu machen, fanden wir uns vor der genannten Blechhütte ein und stellten uns dem Orakel. Der alte Mann saß auf der Erde, einen Behälter mit allerlei Kram neben sich, aus dem er nach und nach einige Dinge herausnahm und sie vor sich in eine mit Steinen umgrenzte Sandfläche warf. Wir bückten uns zu ihm hinunter, und ab und zu sah er uns von unten herauf an. Es dauerte einige Zeit, dann fasste er uns energisch in den Blick und verkündete uns, dass uns eine Trennung bevorstehe. Überrascht sahen wir uns an. Zwar hatten wir gerade auf dieser Reise vereinbart, dass ich einmal sechs Wochen »Auszeit« aus unserer Verbindung nehmen könne, aber was danach sein würde, hatte gar nicht zur Debatte gestanden. Was machte diesen wildfremden Mann zum Wissenden?

16
Abbruch – Aufbruch
    In unserer ehelichen Beziehung war tatsächlich eine Wandlung eingetreten. Zwar hatte Stockhausen während

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