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Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter

Titel: Ich hänge im Triolengitter - Bauermeister, M: Ich hänge im Triolengitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bauermeister
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verstrickt. Wie recht sie hatte! An einem Abend stoppte die Musik, und zwar nicht an der dafür vorgesehenen Stelle der stummen Szene, sondern mittendrin. James Tenney hatte das Reserveband aber simultan mitlaufen lassen und musste nun nur ein paar Knöpfe bedienen, damit die Musik wieder zu hören war, zwar nicht in der Qualität der Vierspurwiedergabe, aber die Show konnte ihren Lauf nehmen. Drei zu null für Stockhausen.
    Das vier zu null spielte Paik ein. Eines Abends wurde seine Badewannenszene jäh unterbrochen: Zwei in Anzug gekleidete Burschen stürmten herein, ergriffen Paik und fesselten ihn mit Handschellen an das Regiegerüst, auf dem Allan Kaprow thronte. Der gefesselte Paik wandte sich an den noch indische Mantren rezitierenden Allen Ginsberg, der mit einem vor den Bauch geschnallten Akkordeon im Hintergrund stand. Er forderte ihn auf, sich und ihm je einen Schuh auszuziehen, diese mit dem Wasser aus der Wanne zu füllen und mit ihm Brüderschaft zu feiern. So tranken sie beide aus den Schuhen. Das war natürlich nicht geplant gewesen, Paik hatte nur schnell reagiert, er hatte sich ja auch gar nicht gegen das Fesseln gewehrt. »Geh die Probleme seitwärts an«, so hatte er mir einmal sein Kampfmotto bei Gefahr erklärt. Wir hielten das Ganze zuerst für einen seiner originellen Einfälle, denn jeden Abend flocht er etwas Neues, Überraschendes in seine Szene ein. Paik war eben einfach genial.
    Die zwei jungen Männer, die hinter der Bühne die Treppe hinauf zum Ausgang auf eine Feuerleiter gerannt waren, steckten inzwischen oben auf dem Balkon fest. Das Gitter zur Leiter nach unten war abends abgesperrt, ihr Fluchtplan gescheitert. Allan Kaprow und Charlotte entschieden nach der Vorstellung, sie laufen zu lassen. Paik kam hinzu und sagte nur: »Danke für euren Beitrag.«
    Am vorletzten Abend ließ sich Maciunas jedoch etwas einfallen, das nun gar nicht mehr komisch war. Charlotte, die damals keine Engagements bei klassischen Konzerten mehr bekam – zu weit hatte sie sich vorgewagt mit ihrem Festival der Avantgardemusik –, verdiente ihr Geld als Telefonistin in einem Hotel. Maciunas hatte sich als neueste Attacke etwas echt »Musikalisches« ausgedacht, nämlich sie und mich durchs Telefon mit einem extrem lauten künstlich erzeugten Ton zu erschrecken. Nachdem ich selbst bereits beim Abnehmen des Hörers, also noch mit einer Armlänge Abstand, einen unglaublichen Stich in die Ohren bekommen hatte, wollte ich Charlotte warnen. Doch es war schon zu spät. Die Telefonistin, die Charlotte an dem Tag im Hotel vertrat, hatte den Ton in ihren Kopfhörer gejagt bekommen, und er hatte großen Schaden in ihrem Ohr angerichtet. Sie musste in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht werden.
    Da machte ich mich auf zu Flynt und Maciunas. Ich warf ihnen vor, das gehe zu weit, das sei Körperverletzung und vertrage sich wohl kaum mit ihren proklamierten pazifistischen Idealen. Ich fragte sie, warum sie ihren Vorstellungen nicht im politischen Protest Ausdruck verleihen könnten? Nein, das wäre nicht möglich, da lande man in Amerika sofort im Gefängnis. Und gerade Stockhausen als anerkannter Künstler eigne sich gut für ihre Attacken, da er, vom Rundfunk bezahlt, für das Establishment stehe. Ich brach das Gespräch ab, hier war nichts auszurichten.
    Dieses aggressive Vorgehen spaltete auch die gerade erst entstehende Fluxus-Gruppe. Maciunas hatte sie gegründet, er wurde nun aber immer tyrannischer, wollte bestimmen, wer dazugehörte und wer nicht. Er wollte mit Fluxus eine Form der Aktionskunst schaffen, die sich gegen die elitäre Hoch kunst auflehnte, als Wiederaufnahme des Dadaismus. Fluxus begriff das gesamte Leben als ein Stück Musik, als einen musikalischen Prozess. Zur Gruppe gehörten vor der Spaltung unter anderem Paik, George Brecht, Wolf Vostell, Emmett Williams, Dick Higgins, Alison Knowles, Yoko Ono, Robert Filliou, Joseph Beuys und auch Charlotte Moorman. Doch schon bald nahmen viele Europäer von Maciunas Abstand. Robert Filliou war der Meinung, man könne doch nicht einen Radikalen wie Stockhausen bestreiken, er sei doch aus dem eigenen Lager. Auch Paik verließ nach den Ereignissen um die Originale die Gruppe und näherte sich ihr erst nach Maciunas’ Tod wieder an.
    Ich berichtete Karlheinz natürlich von unserem vier zu null, schickte ihm die Pressestimmen und ließ ihn auch sonst Anteil haben am Kulturleben in New York. Die Pop-Art ließ ich aber jetzt als Thema beiseite, ich hatte

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