Ich haette dich geliebt
unten und holte zwei Tassen Kaffee und Marmeladenbrötchen. Marlene sah mich mit gerunzelter Stirn an, als ich mit dem Tablett hereinbalanciert kam.
„In dir steckt ein Gentleman, Louis.“
„Ich habe der Wirtin gesagt, du fühlst dich nicht gut.“ Ich hatte in Wirklichkeit gesagt, meine Mutter fühlt sich nicht gut. Dabei bin ich fast selbst im Erdboden versunken.
„Oh, Mutti ist krank.“
Marlene zog eine Grimasse. Bis dahin hatten wir ja nicht über die Mutter-Sohn-Sache gesprochen. Mit ihrer Selbstironie machte sie es uns beiden leichter.
„Ja so ein lieber Sohnemann!“
Ich grinste erst und dann lachte ich los. Von da an wurde ich sicherer.
Diese kokette Frau war also meine Mutter. Weshalb konnte ich sie dann nirgends entdecken? Ich war froh, dass ich verabredet war, und nicht länger darüber nachdenken musste, wie wenig ich eigentlich über sie wusste. Ich rief im Beerdigungsinstitut an, um nach dem Ablauf der Bestattung zu fragen. Außerdem musste ich noch mal in die Wohnung. Wenn das Spiegelei meine Mutter darstellen sollte, wollte ich wenigstens noch einen Blick darauf werfen.
Frau Damter schien froh über den Anruf und erklärte mir alles detailversessen. Und ja, in die Wohnung könne ich jederzeit wieder gehen, solange ich noch da sei.
Dann rief ich Jonas an und teilte ihm mit, dass ich erst nächste Woche wieder einsatzbereit sein würde. Ich brauchte die paar Tage für mich. Es war das erste Mal, dass ich nicht krank war und trotzdem nicht arbeitete. Aber wozu war man denn freie Mitarbeiterin?! Jonas war nicht begeistert, konnte aber auch schlecht böse sein. Beerdigungen riefen immer eine gewisse Form von Mitleid und Unsicherheit hervor.
Viertel vor sieben stand ich vor dem Geschäft.
„Du bist viel zu früh. Ich muss noch die Abrechnung machen und ein bisschen Ordnung schaffen. “
Luise legte einen Haufen von Pullovern ins Regal. Es dauerte eine unendliche Stunde, bis sie mit allem fertig war. So ganz durchschaute ich den Ablauf des Aufräumens und Abrechnen nicht. Sie schien alles nach dem System Chaos zu machen. Erst hier ein bisschen, dann dort ein bisschen. Ich blätterte ungeduldig in einer Zeitschrift, als Luise rief:
„Fertig! Tut mir leid, dass du warten musstest.“
Sie zog den Unterkiefer entschuldigend nach unten und riss die Augen auf.
„Kein Problem, ich habe ja sonst nichts vor.“
Mein Sarkasmus kam durch. Mir widerstrebte Unpünktlichkeit. Dabei hatte ich nun wirklich keine Eile.
„Soll man lügen? Du siehst aus wie jemand, der immer alles im Griff hat.“
Es klang eher wie eine Beleidigung, als nach einem Kompliment.
„Und du siehst aus, als hättest du Hunger.“
„Pass auf, wenn's schnell gehen soll, gehen wir in den Rosengarten. Da kann man Kleinigkeiten essen.“
Unterwegs erzählte Luise so allerhand aus ihrem Leben. Sie war geschieden, nach einer unvernünftigen, aber leiden-schaftlichen Hochzeit mit einem Mechaniker. Sie hatte studiert und so oft den Job gewechselt, dass sie selbst keine genaue Zahl mehr wusste. Aus ihrer Heimatstadt war sie immer nur phasenweise abgehauen. Entweder irgendwelchen Kerlen oder vielversprechenden Jobs hinterher.
„Ich bin der ambitionsloseste Mensch der Welt geworden. Früher wollte ich immer etwas werden, wusste aber nicht was. Irgendetwas Großes sollte es sein, verstehst du? Mindestens eine wichtige Person am Internationalen Gerichtshof. Oder aber eine berühmte Jazz-Sängerin oder Kriegsreporterin. Oder Starvisagistin. Ich konnte mich nicht entscheiden, was Sinnvolles zu tun, oder aber etwas Glamouröses. Kennst du das? Ich weiß auch nicht. Alle meine Versuche waren halbherzig. Planlos. Kaum habe ich einen Kurs in Fotografie belegt, konnte ich nicht mal mehr verstehen, was in Gottes Namen es noch zu fotografieren gab. Das ging nur so weiter. Kaum angefangen, schon entmutigt. Regelrecht abgetörnt.“
Wir stoppten vor einem kleinen Platz mit verblühten Rosen. Ein paar Tische und eine Art Kiosk befanden sich in dem Garten. Obwohl der Begriff „Garten“ diesem heruntergekommenen Imbiss nicht gerecht wurde.
„Hier gibt's die besten Pommes.“
Triumphierend schaute Luise mich an.
„Pommes?“
„Jeder mag doch Pommes, oder?“
Luise war verunsichert, und ich versuchte erst gar nicht, meinen Unmut zu verbergen.
„Jeder unter 10 Jahren vielleicht. Egal, ich esse auch mal Pommes.“
„Hör mal, wir können auch woanders hingehen, ich dachte nur ... hier der Garten und so.“
„Jetzt sind wir schon
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