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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Öffentlichkeit gibt es bestimmte Themen, die nicht erwähnt werden dürfen.«
    Will:
    So kam ich in König Heinrichs Dienst. Es war reiner Zufall, wie es die größten Ereignisse in unserem Leben sind. Ich kann Euch versichern, ich ahnte nicht, dass der König meine Reden hörte, als ich mir mit einigen dummen Gefährten die Zeit der Audienz vertrieb, und ich wusste auch gar nicht mehr, was ich gesagt hatte.
    Aber ich erinnere mich, dass ich den König an diesem Tag gesehen hatte. Er wirkte bedrückt und geistesabwesend, ganz anders als das junge Wesen, das ich viele Jahre zuvor auf der Straße nach Dover gesehen hatte, anders auch als die gottähnliche Gestalt, die ich in Calais aus der Ferne geschaut hatte. Dieser Mann war älter, und ihn plagten viele Sorgen und Neider. Warum ich einwilligte, in seinen Dienst zu treten, wusste ich damals nicht. Gewiss verlangte es mich nicht danach, ein Kostüm zu tragen und vernagelte Höflinge zu unterhalten. Aber der König zog mich an. Und er brauchte mich, das spürte ich. (Eitelkeit?)
    Er erlaubte nicht mehr, dass ich noch einmal mit meinem Herrn nach Calais zurückkehrte; er bestand darauf, dass man mir meine Habe herübersenden könne. Tatsächlich besaß ich ja kaum etwas. Von diesem Augenblick an sollte ich ein Teil des Hofes werden.
    Ich erkannte rasch, dass man am Hofe niemals frei sein konnte. Wie ein Komposthaufen war diese Masse von schwärender Menschlichkeit immerzu heiß, immerzu von üblen Dünsten erfüllt und in buntem Zerfall begriffen.
    Und obendrauf hockte der König selbst und versuchte, diesen gärenden Haufen zu überblicken. Sein »Haushalt« war auch seine Regierung, die stets bei der Hand sein musste. Ich staunte über sein Gedächtnis, über seine beinahe übernatürliche Erinnerung an unzählige Einzelheiten. Er vergaß mich nie, nicht einmal im dicksten Gewimmel und auch nicht über seinen stets drängenden Pflichten.
    Heinrich VIII.:
    Will lernte es nie, sich an dieses Gebot zu halten, und deshalb wurde er schließlich mein privater Narr. Er und der Hof waren als Partner einfach ungeeignet, wie die folgenden Ereignisse bewiesen. Aber sein Witz und seine Beobachtungsgabe waren für mich von unbezahlbarem Wert, und so gefiel es mir, ihn um mich zu haben.

XXXV
    W olsey sollte ein großes Festbankett für über einhundert Gäste veranstalten, um irgendetwas zu feiern – ich weiß nicht mehr, was. Verstohlen beförderte er die Gästeliste in mein Gemach, und ich fügte ihr mehrere Namen hinzu, darunter auch den der Mistress Anne, und schmuggelte sie dann zu ihm zurück, denn offiziell sollte ich von diesem Vorgang nichts wissen.
    Würde sie kommen? Würde Wolsey die Einladung korrekt abfassen? Und wenn er es täte, würde sie sie annehmen? Ich hatte endlich dafür gesorgt, dass sie zum Hof zurückkehrte. Aber vielleicht lebte sie zu zurückgezogen … oder sie fragte sich, weshalb sie auf einem Fest des verhassten Kardinals dabei sein sollte? Beim Blute des Herrn! Gab es denn keinen Ort auf der Welt, wo ich sie sehen könnte, ohne darauf angewiesen zu sein, dass andere mir dazu Gelegenheit gaben?
    Die Etikette erforderte, dass ich zu diesem Anlass eine Verkleidung anlegte (da ich mich vorgeblich nicht unter den Gästen befände), und ich entschied mich, als Schäfer zu erscheinen. Da ich aber nicht ohne Gefolge kommen konnte, brauchte ich Schäferkameraden. So erwählte ich mir welche: den lieben Brandon, meinen Cousin Courtenay, William Compton, Edward Neville und Annes Vater, Thomas Boleyn.
    Es war Ende Oktober, aber immer noch mild. Die kleine Ruderpartie die Themse hinauf würde vergnüglich werden, zumal da bald ein fetter Vollmond aufgehen würde. Meine Gefährten und ich würden nach York Place rudern und warten, bis das Fest in Gang gekommen war, ehe wir dort erschienen.
    Die Ruderblätter tauchten mit beruhigendem Glucksen in das mondbeschienene Wasser. Wasser wirkte stets besänftigend auf mich. Sie würde dort sein; ich wusste es. Der Herr mochte geben, dass sie da sei!
    Nicht lange, und wir erreichten York Place; es lag ja nicht weit entfernt vom Herzen Londons. Jetzt, da Hampton Court offiziell mir gehörte, zögerte Wolsey, mich dort zu bewirten, wenngleich er immer noch dort wohnte.
    Die Landungsbrücke war mit spät blühenden Blumen bekränzt, und der Steg war unauffällig beleuchtet. Ringsum herrschte großer Aufruhr. Meine Begleiter waren ungebärdig; sie schlugen und knufften einander lärmend, sodass sie unfehlbar auf uns

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