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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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antwortete ich. »Binnen Jahresfrist, höchstens. Der Fall ist klar. Ich habe nur gezögert, weil … weil ich nicht wusste, wie du darüber dachtest.«
    »Wie ich dachte?«
    »Jawohl, mein Fräulein! Wie du dachtest! Du denkst nämlich etwas, das weiß ich!« Ich hörte, wie ich explodierte, und war doch unfähig, mich zu beherrschen. »Halte mich nicht für einen Dummkopf!« Jählings war ich so wütend, dass ich zitterte – wütend über ihre Koketterie, ihr Ausweichen, ihre vorgebliche Naivität, ihr berechnendes Benehmen. Ich war der König! »All die Monate« – unversehens sprudelte es aus mir hervor, alles, was ich mir gelobt hatte, nicht auszusprechen, was ich mir selbst gegenüber kaum zu gestehen gewagt hatte – »habe ich dich geliebt, habe ich mich danach gesehnt, mit dir zu schlafen! Stattdessen hast du mit mir gespielt, mich gefoltert, mir auf all meine Bitten nur töricht erwidert.« Meine Stimme war bedrohlich laut geworden (konnten die Diener im Nachbarzimmer mich vielleicht hören?), und sie sah mich mit einem besorgten Blick an, der mich rasend machte. »Nun, und jetzt frage ich dich zum ersten und letzten Male: Willst du meine Frau werden? Willst du Königin sein?«
    So. Jetzt hatte ich es ausgesprochen. Es war, als wären die Worte von allein gekommen.
    »Euer Gnaden«, antwortete sie langsam. »Eure Frau kann ich nicht sein, denn Ihr habt schon eine Königin. Und Eure Mätresse will ich nicht sein.«
    »Ich habe keine Frau!«, schrie ich. »Ich sage dir, ich habe keine Frau!«
    Sie antwortete nicht.
    »Offenbar glaubst du mir nicht! Du denkst also, ich lüge.« Ich tat einen Schritt auf sie zu, und ich merkte, dass sie nicht nur nicht zurückwich, sondern sich mir sogar entgegenlehnte, als wolle sie, dass ich sie berührte. Ich packte sie und zerdrückte die aufgeblähten Samtärmel, um den langen, schlanken Arm darunter zu fühlen. »Wie auch immer, dies ist keine Antwort auf meine Frage. Wenn der Papst mich zum Junggesellen erklärt – was ich bin, und was er tun wird –, wirst du mich dann heiraten oder nicht?«
    Sie sah zu mir auf. »Ja. Ich werde Euch heiraten. Wenn der Papst es Euch erlaubt und Ihr frei seid.«
    Ich merkte plötzlich, dass ich noch immer ihren Arm schmerzhaft umklammert hielt. Ich ließ ihn los und sah, dass meine Finger feuchte Druckspuren auf dem Samt hinterlassen hatten. Verdorben. Ich würde ihr ein neues Kleid schicken müssen.
    »Binnen Jahresfrist«, sagte ich zuversichtlich.
    »Wirklich?«, fragte sie. In ihrer Stimme klang Zweifel, aber auch ein wärmerer Ton, als ich ihn je vernommen hatte.
    »Wirklich«, bekräftigte ich. Sie lächelte. Damit schien alles gesagt zu sein. Also erlaubte ich ihr, sich zurückzuziehen – zwei Fremde, die sich verabschiedeten.
    Als sie gegangen war, merkte ich, dass ich zitterte. Sie heiraten? Aber ich hasste sie! Schnell trat ich den Funken dieses Gedankens aus.
    Innerhalb weniger Stunden sonnte ich mich in jener wundersamen Wärme, die man nur selten im Leben verspürt – wenn einem ein Herzenswunsch erfüllt worden ist. Die Frau, die ich liebte, würde die meine sein.
    Wie sollte ich mich nun an den Papst wenden? Dass er meine Ehe annullieren würde, daran zweifelte ich nicht. Er hatte es bei anderen unter weniger klaren Umständen auch getan. Meine mutwillige Schwester Margaret hatte es sogar vermocht, die Aufhebung ihrer Ehe mit ihrem zweiten Gatten, dem Grafen von Angus, zu erlangen – mit der Begründung, dass ihr erster Mann drei Jahre nach der Schlacht von Flodden durchaus noch habe am Leben sein können.
    Ich kannte meinen Fall in all seinen Verzweigungen, denn ich hatte manche schlaflose Stunde damit zugebracht, darüber nachzudenken. Die Bibelstellen waren klar, und wären sie es nicht gewesen, so wäre der Tod all meiner Söhne Beweis genug. Gott hatte mir nicht erlauben wollen, meinen Frevel zu vergessen.
    Die Nacht war ebenso heiß, wie der Tag es gewesen war. Ruhelos schritt ich in meiner Kammer auf und ab. Warme Luft wehte in Böen aus dem Obstgarten zu mir herein. Anne. Anne. Wo war Anne. Mit wem sprach sie in diesem Augenblick?
    Was kümmerte mich das?, schalt ich mich streng. Bald würde sie meine Frau sein. Im nächsten Jahr um diese Zeit würden wir hier in dieser Kammer miteinander allein sein.
    Der Papst. Er war der Schlüssel zu allem. Er musste mir die Annullierung unverzüglich gewähren. Wolsey. Wolsey würde dafür sorgen. Ich musste nach Wolsey schicken.

    Wolsey war bestürzt – nein,

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