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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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immer. So tarnen folgenschwere Veränderungen sich oft so, als seien sie gar keine Veränderungen.
    Wortlos nahm ich sie bei der Hand und führte sie zu meinem Bett, und dort verwehten alle anderen Gedanken – und ich verschmolz mit ihr, wie ich noch nie mit einem Menschen verschmolzen war. Sogar Gott war vergessen.

LI
    D ie Woche, die auf Annes Krönung folgte, gewährte uns Erholung von allen irdischen Sorgen. Die Sonne schien unentwegt; die Bürgerschaft brauchte nicht zu arbeiten; Wein floss aus öffentlichen Brunnen; jeden Tag fand in den Schranken des Palastes ein Turnier statt. Und jede Nacht fand ich beispiellose Glückseligkeit in Annes Bett, wo ich Spielplätze der Sinnlichkeit erkundete, von deren Dasein ich nichts geahnt hatte.
    Die Rückkehr zur Alltagsarbeit war so mühsam wie das Verlassen eines Traumes. Im Lande der Ungläubigen, so habe ich gehört, sitzen die Männer wohl tage-, monate- oder auch jahrelang in Höhlen, die mit Seide ausgekleidet sind, und rauchen eine Droge, die Träume herbeiführt. Ich fühlte mich, als sei mir etwas Ähnliches vergönnt gewesen, und ich wollte nicht davon ablassen. So schnell macht die Euphorie uns süchtig.
    Solange ich im Schloss blieb und in Feiern und den Armen einer Frau schwelgte, war alles eitel Sonnenschein. Draußen aber gab es wenig Freude, geschweige denn Euphorie. Das Volk wollte noch immer »keine Nan Bullen«. Thomas More hockte noch immer in seinem Studierkämmerchen in Chelsea und übersetzte lateinische Texte, und er sandte mir nicht einmal einen schriftlichen Glückwunsch. Die zwanzig Pfund hatte er ohne eine Nachricht an mich zurückgeschickt. Der Papst versuchte immer noch, Karl zum Krieg gegen mich aufzustacheln, um die Ehre Katharinas – und der Kirche – zu verteidigen. Katharina selbst, die »gekränkte Dame«, gebärdete sich weiterhin als Königin – nunmehr von Buckden aus, dem Backsteinschloss im Sumpf, in das sie sich widerwillig hatte umsiedeln lassen.
    Und meine Schwester Maria lag – gleichfalls in East Anglia – noch immer krank darnieder. Kaum hatte Charles Brandon seine Verpflichtungen bei der Krönung erfüllt, ritt er zurück, um an ihrer Seite weilen zu können. Ich versprach, ihm gegen Ende Juni zu folgen, und sandte von Hampton Court einen Korb Erdbeeren, die sie immer so gern gegessen hatte, mit dem liebevollen Befehl, sie unverzüglich zu verspeisen und wieder gesund zu werden.
    Und dann kam die kurze, grausame Nachricht: Maria war tot. Die Erdbeeren hatten eine Frau erreicht, die des Essens nicht mehr bedurfte.
    Sie sollte in Suffolk bestattet werden, wo sie die Jahre seit ihrer Vermählung mit Brandon verbracht hatte. Sie, die einst Königin von Frankreich gewesen war, die Juwelen und Tanz und höfische Fröhlichkeit geliebt hatte, hatte achtzehn Jahre lang ein stilles Leben auf dem Lande gelebt – aus lauter Liebe zu einem Mann. Obwohl er mein Freund war, beneidete ich Charles darum. Ein jäher, ungerufener Gedanke: Hätte Anne solches für mich getan?

    »Sie wird als Königin beerdigt werden«, erklärte Charles mit erstickter Stimme. Er war zum Hofe zurückgekehrt, derweil Maria für die Bestattung bereitgemacht wurde. »Als Königin von Frankreich. Das ist das Mindeste, was ich tun kann – ich, der ich sie ihres rechtmäßigen Titels im Leben beraubt habe.«
    »Sie hat Euch erwählt, Charles«, erinnerte ich ihn. »Sie hat sich dafür entschieden, Eure Gemahlin zu werden, in Suffolk zu leben und Kinder zu bekommen, statt als Königinwitwe am französischen Hofe zu bleiben.«
    Das tröstete ihn nicht. Offenbar war er entschlossen, zu glauben, er habe sie um ihre Jugend und um die Privilegien ihres Ranges gebracht.
    »Eine königliche Bestattung – wird das nicht ein wenig … extravagant werden?« Ich meinte »kostspielig«. Die Kosten für das Protokoll einer königlichen Beerdigung waren Schwindel erregend, und ich wusste wohl, dass es um Charles’ Finanzen zweifelhaft bestellt war.
    »Ich werde es schon schaffen«, murmelte er und sah mich mit bettelndem Blick an.
    In diesem Augenblick hätte ich ihm, als Schwager und als Freund, anbieten müssen, die Kosten für die Bestattung zu übernehmen. Aber ich konnte nicht. Ich hatte kein Geld mehr übrig; keinen Schilling, der nicht verplant war. Bald würde ich beginnen, ehemalige Kircheneinkünfte zu kassieren: Das Parlament hatte bereits zuvorkommenderweise das Annatengesetz verabschiedet, ein Gesetz, welches den Zehnten der kirchlichen Einkünfte, der

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