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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Prinzessin war bereits auf dem Weg nach England. Die Reise würde mindestens zwei Monate dauern. Aber sie kam! Und es würde eine königliche Hochzeit geben, mit lauter Festlichkeiten, nachdem sich jahrelang nichts dergleichen ereignet hatte. Vater würde sich gezwungen sehen, Geld auszugeben, denn die Augen Europas würden sich auf den englischen Hof richten, man würde zuschauen und sein Urteil fällen. Große Bankette mussten stattfinden; verschlungene allegorische Bögen und Statuen und Schaugerüste waren zur Feier der Hochzeit in den Straßen aufzustellen, und in den öffentlichen Wasserleitungen musste von früh bis spät roter und weißer Wein fließen. (Mein Beichtvater hatte mich schon ermahnt, weil der flitterhafte Pomp dieser Welt, wie er es nannte, eine ungebührliche Faszination auf mich ausübe.) Und was mir das Wichtigste war: Ich würde neue Kleider bekommen.
    Vaters Geiz war mir verhasst. Ich hasste meine mottenzerfressenen Mäntel und Hemden, deren verschlissene Ärmel auf halbem Wege vor meinen Handgelenken zu Ende waren. Ich war inzwischen genauso groß wie Arthur, und dennoch steckte man mich in Kleider, die einem viel Kleineren gepasst hätten. Wenn ich mich bückte, zwängten mir die Hosen den Hintern ein, und wenn ich mich streckte, spannten die Schultern.
    »Ganz der Großvater«, sagte Schwester Luke immer. Sie merkte nicht, wie ich zusammenzuckte. »Er war größer als die meisten, und Ihr werdet es auch sein. Er maß sechs Fuß und vier Zoll.«
    »Und er war hübsch.« Eine Bemerkung, die ich mir nicht verkneifen konnte.
    »Ja«, sagte sie schnippisch. »Vielleicht hübscher, als gut für ihn war.«
    »Man kann überhaupt nicht hübsch genug sein«, neckte ich sie.
    »Nein? Aber er war es. Und bei einem Priester ist hübsches Aussehen sowieso verschwendet. Wenn Ihr zu hübsch seid, beunruhigt das die Leute. Niemand wird bei Euch beichten wollen.«
    »Aber was ich dann alles zu beichten habe!« Ich lachte.
    »Heinrich!«, schnaubte sie. »Ihr dürft Eure Schlechtigkeit nicht schon im Voraus planen.«
    »Ihr habt Recht, Mistress Luke. Ich werde nur spontan sündigen.«
    Ich genoss den Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie raschelnd davoneilte. In Wahrheit wusste ich kaum, was für Sünden ich höchstwahrscheinlich begehen würde; einige der Dienstmädchen bei Hofe aber wussten es anscheinend: Ich hatte bemerkt, dass sie mich mit merkwürdigen Blicken betrachteten.
    Katharina landete nicht, wie man es erwartet hatte, in Dover. Ein Sturm trieb ihr Schiff vom Kurs ab, und die Spanier waren genötigt, in Plymouth vor Anker zu gehen – von London aus ein weiter Weg, nass und schlammig.
    Gleichwohl verlangte das Protokoll, dass Vater sich hinbegab und sie offiziell in England willkommen hieß. Arthur konnte ihn nicht begleiten; das war klar. Er war seit kurzem an einem qualvollen Husten erkrankt und musste im Hause und in der Nähe des Feuers bleiben, um sich zu bewahren, was er an Kräften besaß, wenn er den bevorstehenden Strapazen der Hochzeit standhalten sollte. So kam es, dass man mir befahl, Katharina mit Vater entgegenzureiten und sie in ihr neues Heim zu geleiten.
    Es war im Spätherbst, neblig und kalt. Die Blätter waren schon von den Bäumen gefallen, und das Land war braun und trostlos, von Bodennebel verschleiert. Es versprach ein langer, klammer Ritt zu werden. Aber das kümmerte mich nicht; ich war froh, den Palastmauern zu entkommen. Mit großen Augen glotzte ich auf alles, was wir unterwegs sahen: Jubelnde Menschenmengen, schlammige Dorfstraßen, die großen, weiten, gelben Felder, die dunklen Wälder.
    Wir brauchten mehrere Tage, um den Ort zu erreichen, an dem die Spanier gelandet waren. Es war eine klägliche kleine Ansammlung von Zelten; der Regen troff von den Kanten des stolz in der Mitte ragenden, des königlichen Zeltes. Die königliche Standarte hing nass und erbärmlich an ihrer Fahnenstange.
    Es wurde Abend; es nahte das Ende eines Tages, da man bis auf die Knochen fror, während die Kälte einen umhüllte und das Frösteln unter den Mantel drang. Ich freute mich darauf, bald in einem warmen, trockenen Zelt Zuflucht nehmen zu können. So stieg ich ab und stapfte hinter Vater durch den Schlamm, als dieser auf den Zelteingang zuschritt.
    Und sogleich abgewiesen wurde. Der König – abgewiesen! Er lachte ungläubig. Wie es schien, war es spanische Sitte, dass die Braut vor der Hochzeit von keinem Mann, der nicht zur Familie gehörte, gesehen werden durfte.
    Vater blieb

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