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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Gnaden.« Chapuys kam mir gefährlich nahe, und seine funkelnden Augen suchten nach jeglicher Art von Eigenheiten, die womöglich die Schwächen eines Menschen verraten könnten. Ich lenkte mein Pferd ein kleines Stück weit nach rechts, um Abstand zwischen ihm und meinem Bein zu wahren, und lachte die ganze Zeit gelassen. »Eure Frömmigkeit beeindruckt mich. Eine Pilgerreise im Januar zu unternehmen, das ist höchst ungewöhnlich – und es lässt auf eine gewisse Not schließen.«
    Ich spürte, wie Zorn in meinem Herzen sprühte wie Funken aus einem knisternden Holzscheit. Er wusste Bescheid! Nein, unmöglich. Er wollte mich nur auf die Probe stellen und sehen, wo meine Schwächen lagen. »Ich will den ›heiligen‹ Ort inspizieren, ehe ich über sein Schicksal entscheide. Es widerstrebt mir, etwas zu verdammen, ohne ihm vorher Gehör zu schenken.«
    »Wie im Falle der Königin? Als Ihr an jenem Morgen im Juli davonrittet und ihr niemals wieder Aug’ in Auge gegenübertratet?«
    Ich seufzte. Jetzt sollte also unser kleiner Wechselsang über »die Königin« wieder beginnen. Er bestand aus einer Anzahl festgelegter Verse.
    Ich: Ich versichere Euch, ich habe in Windsor keine Königin zurückgelassen.
    Chapuys: Ich versichere Euch, Ihr habt es doch getan. Eine trauernde Königin, die Euch schmerzlich liebt.
    Ich: Ich verstehe nicht. Oh – meint Ihr vielleicht die Prinzess-Witwe?
    Chapuys: Nein, ich meine die Königin.
    Und so fort. Früher einmal war dieser Wortwechsel halbwegs amüsant gewesen. Inzwischen war er mir, wie so vieles, langweilig und verdrießlich geworden. Vielleicht sollten wir den Text auf Karten schreiben lassen, wie die Schauspieler sie benutzen; bei unserer nächsten Begegnung könnten wir sie dann einfach austauschen, und die Sache wäre erledigt.
    Ich unterbrach ihn in seinen liebenswürdigen Sticheleien. »In einigen Tagen werdet Ihr ihre Tochter sehen, Lady Maria. Dann könnt Ihr selbst beurteilen, wie die Halsstarrigkeit der Prinzess-Witwe Maria Ungemach bereitet.«
    »Sie ist auch Euer Gnaden Tochter«, bemerkte Chapuys verschmitzt. »Es sei denn, die fromme Königin wäre wirklich, was Ihr behauptet, das sie sei: die keusche Hinterbliebene Eures Bruders Arthur, und Maria wäre vom Heiligen Geist gezeugt.«
    Eine andere Stimme mischte sich ein: »Solch leichtfertiger Umgang mit dem Namen des Heiligen Geistes ziemt sich wohl kaum für einen frommen Katholiken wie Euch. ›Allerlei Sünde und Lästerei soll dem Menschen vergeben werden: Aber die Lästerei gegen den Heiligen Geist soll dem Menschen nicht vergeben werden.‹« Ich hatte Cromwell nicht herannahen hören, und so erschrak ich, als seine geschmeidige Stimme in unsere Unterhaltung eindrang, so glatt wie ein nasses Messer. Chapuys fuhr ebenfalls zusammen, und die beiden funkelten einander über den Hals meines Pferdes hinweg an. »Just diese Einstellung ist es, die die Kirche und die Mönche verdorben hat –, so sehr, dass sie stinken. Seht Ihr, Ihr gebt vor, die Kirche zu lieben, und doch verspottet Ihr sie vor den Menschen. Pfui, Chapuys! Keine irdische Dame wollte die Dienste eines solchen Ritters für sich. Hätte ich Töchter, ich erlaubte ihnen nicht, Euch ihr Wappen zu schenken«, fuhr Cromwell fort.
    »Noch trüge ich es, käme es von einer Dirne niederer Abkunft, dem Spross eines auf Eigennutz bedachten Bauern«, versetzte Chapuys in spanischer Arroganz. Seine gewandte Gestalt hielt sich mühelos auf dem Pferd. Sein silberbeschlagener Sattel funkelte im bleichen Sonnenlicht und ließ kleine Lichtflecke auf Cromwells in schlichtem braunen Leder gearbeiteten Stiefeln und auf seinem rauen Wollmantel tanzen. Ein Klotz von einem Mann, dieser Cromwell.
    Er ließ seinen Blick zu seiner schlichten Gewandung hinuntergehen. »Ich? Auf Eigennutz bedacht?« Er kicherte. »Ich bin der einfache Meister Cromwell, Sir. Keine Titel, keine Juwelen, keine Ländereien. Ich bin nur auf eines bedacht: meinem König zu dienen. Ich habe nur einen Herrn: den, der hier neben mir reitet.«
    Chapuys schnaubte, und fast gleichzeitig schnaubte auch sein Ross.
    Hinter uns ritt Will; er schwieg. Er sollte uns zum Marienschrein begleiten und dann seinen Abschied von uns nehmen, um seine Schwester und ihre Familie zu besuchen, die einen Tagesritt weit entfernt wohnten. Ich hatte den armen Will in den letzten ein oder zwei Jahren hart an die Kandare genommen und seiner eigenen Bedürfnisse kaum gedacht. Gern hatte ich ihm jetzt seine Bitte gewährt. Er

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