Ich, Heinrich VIII.
statt zu gehen, wie es gewöhnliche Menschen tun. Diese Anstrengung aber ließ ihn ächzen und keuchen. Er runzelte die Stirn ob der Zumutung jeglichen Besuches, und sei es auch ein königlicher, wenn deshalb notwendig wurde, dass er sich in Bewegung setzte.
»Prior Richard«, sagte der Geiermönch und wies dabei auf das schwitzende menschliche Schwein vor uns. Für einen Augenblick kam mir der kuriose Gedanke, wir seien hier in eine bizarre Enklave voll sprechender Tiere gestolpert, wie es im Märchen vorkommt. Was würde als Nächstes zur Tür hereinkommen?
»Eure Majestät.« Er pfiff wie ein alter Blasebalg. Der Schweiß lief ihm in Rinnsalen über das Gesicht. »Die Ehre – die Herrlichkeit Eurer Gegenwart –, ich jauchze und frohlocke über alle Maßen, doch ich bin nicht würdig, dass Ihr eingeht unter mein Dach« – freizügig mischte er Psalmen und die Worte der Heiligen Messe –, »aber sprecht nur ein einziges Wort, ein königliches Wort, und ich bin Euer gehorsamster Diener.«
»Wir sind leider genötigt, Eure Gastlichkeit in Anspruch zu nehmen«, sagte ich. »Das Unwetter hat uns vom Wege abgebracht und verhindert, dass wir unser Ziel erreichten. Ja, die letzte Nacht mussten wir in einer Höhle verbringen.«
Das schien ihn zu beunruhigen. »Wie viele seid Ihr denn?« Er überzählte uns rasch. »Sag Bruder William, er soll für neun weitere decken«, befahl er sodann Bruder Geier. »Wir essen nach der Andacht. Unterdessen mögt Ihr es Euch im Dormitorium bequem machen, Eure Exzellenzen.«
Ächzend und watschelnd verfügte er sich einen langen steinernen Bogengang hinunter, der voller Flecken und Rinnsale und von Rabenkot übersät war. An seinem Ende hing eine verzogene, von Würmern zerfressene Holztür schief in ihren Angeln. Mit einem derben Fußtritt stieß er sie auf. Dahinter lag eine kerkerähnliche Kammer mit kahlen Mauern; Matratzen deckten verstreut den Boden. Etliche Mönche lagen darauf.
»Was – ist die Pest im Kloster?«, fragte ich erschrocken.
»Nein«, sagte Cromwell. »Nur Verkommenheit und Faulheit. Gebt es nur zu, Prior Richard. Eure Mönche liegen den halben Tag im Bett. Betrunken!«
Er trat an eine der Matratzen und stieß den Liegenden mit dem Zeh an. Der richtete sich stöhnend auf.
Ich war entsetzt. Der Mann war unrasiert und von Geschwüren bedeckt, und er stank nach Wein. Neben ihm rührte sich etwas. Ein Weib.
»Habe ich Euch nicht von diesen Dingen erzählt, Euer Gnaden?«, fragte Cromwell leise.
Ich fuhr herum und packte den Prior bei seiner Kutte. »Ihr Schweine! Ehrt Ihr so den Herrn?«
»Sie sind krank«, winselte er. »Ich wollte Euch nicht ängstigen.«
»Dann legt sie in die Krankenstube!«
»Die Krankenstube ist voll, Euer Gnaden.« Beweise mir das Gegenteil, schien er herausfordernd zu denken.
»Was für ein Weib ist das?«, fragte ich.
Meine Begleiter brachen in lautes Gelächter aus.
»Meine Nichte«, erklärte der Prior und legte ihr in einer Weise, die er für onkelhaft hielt, den Arm um die Schultern.
»Dann hat sie den Teufel zum Onkel.« Ich schaute sie an. Sie war kaum mehr als ein Kind. Zu denken, dass sie den Gelüsten der Mönche zu Diensten war!
Ringsumher begannen die »kranken« Mönche sich zu regen. Auf der Hälfte der Matratzen wälzten sich triefäugige, gedunsene Männer, die den charakteristischen Geruch Betrunkener ausdünsteten. Einer erbrach sich geradewegs auf den Fußboden, drehte sich um und schlief wieder ein. Ein rattenhafter Junge wieselte herbei und wischte den Unrat auf.
»Dies ist kein Platz für menschliche Wesen«, befand ich. »Wir schlafen anderswo.«
»Aber es gibt sonst nichts«, behauptete er.
»Es gibt Euer Quartier, Prior.«
»Ich bezweifle, dass es Euch dort gefallen wird, Euer Gnaden«, bemerkte Cromwell, »wenn dieser Kerl widerspiegelt, wie es dort aussieht.«
»Er soll für eine Nacht in seinem eigenen Dormitorium schlafen«, befahl ich. »Bei seinen Mönchen. Wie lange ist es her, dass du einen Fuß hier hereingesetzt hast, Bube?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte ich mich zur Tür und schritt dem Gebäude zu, das ich für des Priors Haus hielt; es stand in der südöstlichen Ecke des Klostergartens. Überraschend flink wirbelte er herum und suchte vor mir dort anzukommen.
»Halt!«, rief ich. »Ich verbiete dir, vor mir einzutreten. Ich will es sehen, wie es ist. Du bleibst bei meinen Leuten!«
Daraufhin stellten sich die jungen und alten Soldaten meines Gefolges im Kreis um den
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