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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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vieles.
    »Maria, ich« – ich möchte dich umarmen, mit dir plaudern, lachen –, »ich bin erfreut, dich zu sehen.«
    »Auch ich bin erfreut, Euch zu sehen.«
    Und mit deinem Geiste. Musste sie es klingen lassen wie in der Messe?
    »Lass dich anschauen.« Der ewige Elternwunsch.
    Sie war zierlich. Sie hatte graue Augen und eine kalkige Hautfarbe. Ihr Haar war golden und stand im Begriff, schlammbraun zu werden wie das Katharinas. Sie hatte meinen schmallippigen Mund; bei mir war es der am wenigsten anziehende meiner Gesichtszüge, und bei ihr auch. Wenn wir die Zähne zusammenbissen, verschwanden unsere Lippen beinahe in einer harten Linie. Sie war schön gekleidet, trug Schmuck schon am Vormittag und hielt sich sehr würdevoll. Die ganze Zeit über sah sie mich an und schlug nicht ein einziges Mal die Augen nieder. Was für eine wunderbare, wundersame Mischung aus uns beiden.
    »Finde ich Euer Gefallen?« Ihre Stimme war leise und ein wenig rau, als wolle sie mich erinnern: Ich bin ich selbst, nicht bloß eine Mischung aus dir und Katharina.
    »Ganz und gar.« Ich strahlte. Das Lächeln, mit dem sie antwortete, kam widerstrebend und wachsam.
    Diese Wachsamkeit: Dafür war ich verantwortlich. Also musste ich sie sofort vertreiben. »Maria, ich … ich habe dich vermisst.«
    Es stimmte, vor allem in diesem Augenblick. Das Herz ist ein seltsam Ding: Es steht nicht immer in seinem Belieben, wo es liebt. Meines Kopfes ungeachtet entschied mein Herz sich stets für Maria.
    »Ich Euch auch, Eure Majestät.« Ihre kleinen weißen Hände umklammerten einander.
    »Du könntest an den Hof kommen«, sagte ich unvermittelt.
    »Am Hofe herrscht … oh, ich kann es nicht ertragen!« Ohne meine Erlaubnis wandte sie sich ab, und ein Schluchzen schüttelte sie. »Nein, ich kann nicht dort hinkommen. Bitte, wenn ich irgendwo hingehen soll, dann lasst mich zu meiner Mutter!«
    Das durfte nicht sein. Nicht, solange sich rings um Katharina womöglich ein Netz von Verschwörern knüpfte. Sollte Maria zu ihr kommen, wäre sie dort ein Magnet, dem nur wenige Unzufriedene widerstehen könnten.
    »Das kann ich leider nicht.«
    »Ihr könnt nicht? Nein, Ihr wollt es nicht! Ich sehne mich nach meiner Mutter, und sie sehnt sich nach mir! Wie lange wollt Ihr uns noch voneinander trennen? Aber ganz gleich, wie lange«, antwortete sie sich gleich selbst, »es kann uns niemals wirklich trennen. Mein Herz ist bei ihr, wie das ihre bei mir ist!«
    »Und ich? Wo ist mein Herz? Ist es von allem ausgeschlossen?«
    »Es ist bei der Großhure!« Sie wandte sich ab, nicht trotzig – Trotz hätte ich brechen können –, sondern betrübt. »Bei ihr ist Euer Herz. Nicht bei mir, nicht bei der Königin. Ich muss mich damit abfinden. Ist das der Zweck Eures Besuches? Wollt Ihr mich lehren, mich damit abzufinden?«
    Nein, wollte ich ausrufen, ich wollte dich sehen und dich dazu überreden, den Eid zu leisten. Schmierige Gründe. Der erste selbstsüchtig, der zweite politisch.
    Unsere Versöhnung sollte nicht sein. Nichts sollte sein. Anne hatte uns zu Feinden gemacht, jetzt und immerdar.
    »Was sollen diese Steine?«, fragte ich – eine bedeutungslose Frage, aber mein Blick war auf sie gefallen.
    »Ein Pilger brachte sie aus Nazareth«, sagte sie. »Um sich daran zu erinnern, dass die Steine, auf denen Unser Herr wandelte, gewöhnliche Steine waren. Und auch zur Erinnerung daran, dass alles gleichermaßen heilig und hart ist.«
    »Maria! Ich brauche dich! Ich will dich bei mir haben! Kannst du – willst du nicht auf einen Weg sinnen, der dich zu mir zurückführt?«
    »Wenn es bedeutet, meiner Mutter zu widersagen und zu erklären, sie sei nicht Eure wahre Gemahlin gewesen – nein. Wenn es bedeutet, meiner größeren Mutter, der Kirche, zu widersagen – nein.«
    »Hast du für meinen Anspruch, für meine Seite, denn nicht einmal einen Gedanken übrig?« War sie so vollständig auf der Seite ihrer Mutter?
    »Oh, ich habe Eure Argumente studiert. Ich habe jede Proklamation gelesen, die Ihr verfasst habt, ich habe die Vorgänge im Parlament studiert, habe alle Eure Gedankengänge vollzogen. Ich habe sogar den Text der Exkommunikation gelesen; ich wusste, er galt Euch, und ich zitterte um Euch. Auch Eure Assertio Septem Sacramentorum habe ich gelesen, und ich kenne jedes Wort davon. Vater, ich begreife Eure Not, und ich weiß, Ihr seid in geistlichen Dingen einsichtsvoll und integer. Aber Ihr seid im Irrtum!«
    Sie streckte die Hand aus und ergriff die

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