Ich, Heinrich VIII.
von mir Besitz ergriffen hatte.
»O Heinrich«, rief sie. »Du bist unversehrt! Du bist unversehrt! Ich habe von dem Schneesturm gehört … ich fürchtete um dein Leben!« Schmerz und Sorge lagen in ihrem Blick.
»Es war ein Abenteuer«, antwortete ich und zwang mich, aufzustehen und sie zu umarmen. »Wahrlich, mir war zumute wie Gawain, wie er auf der Suche nach dem Grünen Ritter durch Wälder von Eis und Meere von Schnee streift.« Plötzlich war ich zu müde, um es zu erzählen, und ich hatte auch keine Lust dazu. »Wir verbrachten die Nacht in einer Höhle, die uns die Vorsehung zeigte, und am nächsten Morgen ritten wir weiter. Es ist alles gut … mein Herz.« So, das genügte als Bericht.
»Ich fürchte indessen, dass meine Mission bei Maria einen unglücklichen Verlauf genommen hat. Sie weigerte sich, den Stand der Dinge anzuerkennen. Sie ist das genaue Abbild Katharinas.«
Anne lächelte selbstzufrieden. »Wie ich es mir dachte. Und dabei viel gefährlicher.«
»Inwiefern?«
»Um es unumwunden zu sagen: Die alte Frau ist fast fünfzig, und sie ist krank. Maria ist jung und gesund. Katharina war schon Königin; Maria könnte eine werden. Ein großer Mann hat einmal gesagt: ›Fürchte nicht deine Vorgänger, sondern deine Nachfolger.‹«
»So wird es dich freuen, zu hören, dass ich Marias ›Herrschaft‹ auf Beaulieu ein Ende gemacht habe. Ich habe ihr befohlen, unverzüglich abzureisen und Elisabeth in Hatfield House zu dienen. Überdies habe ich« – ich hielt inne; ich war so infernalisch müde! – »Beaulieu deinem Bruder George geschenkt; mag er damit tun, was er will.«
Sie quiekte triumphierend, und ihre Hände verkrallten sich in jenem uralten Zeichen der Gier.
»George ist ein braver Bursche«, fügte ich hinzu. »Möge er es zum Guten nutzen.«
Jetzt erschienen die Bediensteten mit unserem Abendessen; sie trugen silberne Tabletts, bedeckt mit großen Kuppeln aus Metall. Wir mussten unser vertrauliches Gespräch unterbrechen, während leinene Tischtücher auf dem kleinen Speisetisch ausgebreitet und die Gerichte mit würzendem Pfeffer, Salz und Knoblauch aufgedeckt wurden. Es gab geschmortes Kaninchen, das würzig in fetter Sauce schwamm, kleine Pfannkuchen, die darunter gelegt wurden, ein Gelee aus wilden Beeren und Linsensuppe. Ich schaute zu, wie der Kammerdiener jede Einzelheit mit präzisem Geschick an ihren Platz legte, und mein Hunger war gefesselt von seiner Kunst. Anne und ich redeten flüsternd und verschlüsselt.
»Dein Cousin, der zu dichten versteht, soll es jemand anderen lehren«, murmelte ich. »In Windsor.«
Ich erwartete ein Lächeln; stattdessen runzelte sie die Stirn. Wir würden das später erörtern.
»Ich habe Edelsteine aus einem laxen Kloster mitgebracht.« Ich öffnete die Satteltasche und überreichte ihr die verlorenen Schätze des Priors. »Mit all dem wurden Messen bezahlt, die nie gelesen wurden«, erklärte ich.
»So viele gefallene Seelen«, murmelte sie und streichelte das Gold und die Juwelen.
Der Diener fuhr fort in seiner Zeremonie des Besteckauflegens, langsam, bedächtig. Würde er niemals fertig werden?
»Aye. Eine Schande und eine Schmach.«
Jetzt wurden die Kelche an ihren Platz gestellt und mit Wein gefüllt.
»Wir danken Euch«, sagte ich und wies auf das Feuer; der junge Diener legte zwei dicke Eichenholzscheite nach und zog sich dann zurück.
Ich nahm meinen Platz am Speisetisch ein, so hungrig inzwischen, dass ich mich jenseits allen Hungers fühlte. Ich nahm den Kelch aus feinem venezianischen Glas in die Hand. Ich hatte kürzlich einhundert Stück davon bestellt. Glas war dem Geschmack des Weins schmeichelhafter als Metall.
»Lass uns trinken auf alle Wiedervereinigungen«, erklärte ich. Unsere Gläser berührten einander. Wiedervereinigung: das Zusammenfügen dessen, was getrennt ist. Könnte der Wein dies doch vollbringen.
Die Berührung des Weines mit meinem Munde ließ den Hunger explodieren. Ich nahm Schmorfleisch und Pfannkuchen und kaute genüsslich jeden Bissen. Mein Hunger stieg herauf und spielte mit dem Essen.
»Was war das mit meinem Cousin Howard?«, fragte sie in scharfem Ton.
»Nun, er und mein Sohn Fitzroy sollen eine Zeit lang in Windsor zusammen leben. Fitzroy muss mit anderen adeligen Knaben seines Alters zusammen sein; er war bisher allzu isoliert. Und was Howard angeht … es würde ihm gut tun zu spüren, dass er geliebt und geschätzt wird. Der Zustand seiner Familie – seine Eltern leben getrennt,
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