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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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miteinander geschlafen hatten, konnte es nicht liegen, und ebenso wenig an mangelndem Vergnügen im Bett. Seit meiner Rückkehr von der »Pilgerfahrt« hatte das alte Leiden sich nicht mehr spürbar gemacht. Manchmal sprachen unsere Körper sogar, wenn wir mit Worten die Kluft zwischen uns nicht zu überbrücken wussten – mit »Kluft« meine ich die Lücke, die ein Individuum vom anderen trennt. Nichtsdestoweniger waren wir ohne Sohn. Die Prinzessin Elisabeth war jetzt ein Jahr alt; sie blühte in Hatfield House, bedient von ihrer Schwester Maria, die noch immer darauf beharrte, Anne als »Madam Pembroke« zu bezeichnen. Sie war genauso halsstarrig wie Katharina …
    Katharina. Während ich meine Ringe aus der achteckigen, intarsienverzierten spanischen Schatulle nahm, dachte ich an sie. Sie hatte den Eid verweigert, wie ich es erwartet hatte. Aber sie tat es, indem sie sich in ihren Gemächern zu Buckden verbarrikadierte und sich weigerte, Brandon vorzulassen oder mit ihm und seinen Kommissaren zu sprechen. In ihrer Halle wartete er zwei Tage darauf, dass sie auftauche, sodass er sie ergreifen und zu einer Antwort zwingen könnte.
    Als er sich vergewissert hatte, dass sie auch einen Koch, Vorräte und ihren Beichtvater bei sich eingeschlossen hatte, wusste er, dass sie in den nächsten sechs Monaten nicht mehr hervorkommen würde, dass sie sich vielleicht sogar in ihrem Gefängnis zu Tode hungern und sich dafür als Märtyrerin bezeichnen würde. Dann würde ihr Beichtvater ihr die Letzte Ölung spenden und ihre Seele geradenwegs in den Himmel schicken. Angewidert zog er ab, nicht ohne zuvor die restlichen Bediensteten zu entlassen und die Möbel fortschaffen zu lassen. Schon dafür schmähten und bedrohten ihn die Leute in der Stadt. Ein hässlicher Pöbel umringte das Haus, und sie bedrohten meine Kommissare, indem sie ihre Mistforken und Hacken schwenkten.
    Nun war es genug. Anne brauchte mich nicht weiter zu bedrängen, diesem kindischen, bockigen und ärgerlichen Benehmen ein Ende zu machen. Brandon konnte nichts weiter tun, aber ich war der König. Ich befahl, sie unverzüglich in das düstere, befestigte Schloss Kimbolton zu bringen und dort unter Hausarrest zu stellen. Von nun an würden zwei »Wärter« auf sie Acht geben, Sir Edmund Bedingfield und Sir Edward Chamberlayn, die mir beide treu ergeben waren. Sie würde völlig isoliert leben und weder Besuch empfangen noch Korrespondenz führen dürfen. Jetzt war sie politisch tot.
    Aber auch jetzt fand sie noch einen Weg, sich trotzig zu gebärden. Sie lehnte es ab, mit irgendjemandem zu sprechen, der sie nicht als »Königin« anredete. Da dies nur noch fünfzehn Personen taten – ihr Beichtvater, ihr Leibarzt, ihr Apotheker, ihr »Haushofmeister«, zwei Kammerdiener, drei Zofen und sechs Hausbedienstete –, sperrte sie sich mit ihnen ein und weigerte sich, einen Fuß über ihre Schwelle in die »vergifteten« Bezirke von Schloss Kimbolton zu setzen, wo ihre Wärter und das restliche Personal lebten. Sie aß auch nichts, was in deren Küche zubereitet worden war, sondern richtete sich einen eigenen kleinen Herd ein, auf dem sie sich ihre kläglichen Mahlzeiten selber kochte.
    Ganz allein in höchster Isolation, verschloss sie die Augen vor den Dingen, wie sie wirklich waren, als könnte sie andere durch schiere Willensanstrengung beeinflussen. Der Glaube kann Berge versetzen, heißt es in der Schrift. Sie hielt mich für den Berg, den ihr Glaube versetzen könnte.
    Aber es wurde spät. Ich musste mich sputen. Welche Ringe sollte ich heute tragen? Da war der mit dem ovalen Rubin, den ich in Frankreich erworben hatte, als ich das erste Mal dort gewesen war. Der Lapislazuli, in arabisches Filigran gefasst, ein Geschenk von Suleiman anlässlich meiner Hochzeit mit Anne (zum Zeichen der Absage an Katharina und zugleich als Beleidigung gegen Suleimans Feind, Kaiser Karl: Meines Feindes Feind ist mein Freund). Der viereckig geschnittene Smaragd, den Wolsey mir geschenkt hatte, um seinen Kardinalshut zu »feiern«. Ich trug niemals weniger als vier Ringe. Also erwählte ich nun den vierten, einen Granatring, den ich schon als Kind besessen hatte. Er passte jetzt kaum noch über den Knöchel meines kleinen Fingers.
    Der Diener klappte den Kasten zu, und noch einmal blitzte das spanisch-maurische Muster vor meinen Augen: Dreieckige Elfenbeinzähne bissen sich in ein Ebenholzfeld, wieder und wieder bis zur sorgsam umschlossenen, in Rot und Grün geometrisch

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