Ich, Heinrich VIII.
auch tun. Als Oberstes Haupt der Kirche von England kann es nicht sein, dass ich von solchem Frevel weiß und dennoch zulasse, dass er weiter stattfindet.« Aber, oh!, ich wollte es doch nicht wissen. Es gab so vieles, das ich nicht wissen wollte und dennoch wusste.
Cromwell nickte, den Blick geradeaus gerichtet, als wäre ihm die Sache gleichgültig. In Wahrheit gab es für ihn nichts Wichtigeres. »Ich werde die entsprechenden Anweisungen geben«, sagte er.
»Ein Letztes noch«, sagte ich, »und dann können wir uns wirklich an den Hunden erfreuen. Meine Tochter Maria. Hat sie auf Eure … Angebote geantwortet?« Ich hatte ihn angewiesen, noch einmal mit ihr zu sprechen und ihr anzubieten, ihr mit Rat und Tat beizustehen. Chapuys hatte sie seinerseits angesprochen und sie gedrängt, standhaft zu bleiben.
»Überraschenderweise ja.« Er wandte sich mir zu und sah mich an. Die Sonne fing sich in seinen Augen und verwandelte ihr Schwarz in ein tiefes, sanftes Braun. »Ich glaube, es kann sein, dass sie bereit ist, endlich … heimzukehren.«
»Ah!« Als habe sich eine dicke Wolke verzogen, wurde die Landschaft heller. Die Farben der Hunde waren satter, die Wämse der Hundeführer bunter.
»Ihr Widerstand ist gebrochen«, fuhr er fort. »Sie ist älter geworden, klüger – nach den letzten Ereignissen.«
Wie wir alle, dachte ich; aber ich sagte es nicht.
»Wenn sie meint, dass ihrer Heimkehr nichts mehr im Wege steht, werden wir sie willkommen heißen, die Königin und ich«, versprach ich stattdessen.
Ich fühlte mich leichtfüßig wie einer der Hirschhunde, als ich nun flotten Schritts über die Heide stapfte, Cromwell im Schlepptau.
Es waren noch andere Hunderassen draußen, um ihre Abrichter geschart. Eine Meute lernte, auf das Horn des Jägers zu horchen; es war eine kurzbeinige, mittelgroße Rasse, die man benutzte, um das Wild im Walde aufzuspüren. Durch ihre kurzen Beine war sichergestellt, dass ein mit Pfeil und Bogen bewaffneter Jäger ihnen zu Fuß folgen konnte.
»Ihr nennt sie …?«, fragte Cromwell.
»Beagles, Sir. Eine prächtige englische Züchtung!«
Auch Fuchshunde und Harrier – für die Hasenjagd – wurden auf das Horn abgerichtet, und die verschiedenen Klänge verschmolzen zusammen mit dem charakteristischen Kläffen all der Hunderassen zu einer ländlichen Musik.
Einer der Hundemeister hatte eine Anzahl kleiner, kurzhaariger Tiere, die er »Terrier« nannte. Sie hatten ein ziemlich hässliches, sandfarbenes Fell, und ihr Kläffen war rau und schrill. Der Wärter behauptete, sie seien von unschätzbarem Wert für das, was ihr Zweck sei: die Jagd auf Ungeziefer wie Ottern, Füchse und Ratten bis in ihre Nester und Verstecke. »Sie kommen aus dem Grenzland«, sagte er.
Natürlich. Im Grenzland gab es Ungeziefer im Überfluss, vor allem zweibeiniges. Kein Wunder, dass sie dafür eine eigene Hunderasse herangezüchtet hatten. Die Hunde waren mir so unangenehm wie das Raubzeug, das sie bekämpfen sollten.
»Ich habe Lust, auf die Jagd zu gehen, und zwar bald einmal«, sagte ich zu niemandem Bestimmtes. »Im Herbst lasst uns eine Jagdgesellschaft laden. Dann jagen wir Rehe und Hasen und die stinkenden, feigen Nager – Iltis und Wiesel.« Zu gern schoss ich auf dieses Geschmeiß.
Ich beugte mich eben zu einem der Bluthunde nieder, um ihn zu streicheln, und ich fühlte sein dichtes, seidig schwarzes Fell in meiner Hand, als ich einen Boten herankommen sah. Ich verspürte Ärger, aber keinerlei Vorahnung. Sogar hier stören sie mich, dachte ich. Ist es zu viel verlangt, wenn ich einmal knappe zwei Stunden draußen sein und zusammen mit meinem Obersten Minister meine Hunde inspizieren möchte?
Resigniert wartete ich, bis er bei mir war. Er brachte eine versiegelte Botschaft.
Irgendetwas Bedeutungsloses, dachte ich, als ich sie aufriss.
Der Herzog von Richmond, Heinrich Fitzroy, ist tot. Er starb um die Mittagsstunde. Euer gehorsamer Diener und Untertan und getreuer Arzt,
Wm. Butts.
Noch hier, noch jetzt schlug Anne zu. Die Sonne schien immer noch genauso hell, aber ihre Strahlen hatten plötzlich all ihre Wärme verloren.
LXXVII
I ch konnte meinen Sohn nicht einmal offen betrauern oder eine öffentliche Beerdigung anordnen. Hätte es in diesem Augenblick Berichte über einen weiteren Todesfall gegeben, hätten die Menschen einen solchen Schrecken bekommen, dass die mutmaßliche Unzufriedenheit im Volke womöglich hervorgebrochen wäre. Ich sage »mutmaßlich«, weil es unmöglich
Weitere Kostenlose Bücher