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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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wird England, so glaube ich, seine Verbündeten unter diesen Nationen finden. Fürwahr, wenn Frankreich und Spanien auf ihrer altmodischen Bündnistreue gegen den Papst beharren, wird aufgeschlossenen Monarchen gar nichts anderes übrig bleiben. Ist es da nicht besser, sich der Zukunft mit ganzem Herzen anzuvertrauen? Statt wie Lots Weib immer wieder zurückzuschauen?«
    Schon wieder das Alte Testament. Und so viele biblische Anspielungen von meinem »modernen« Crum …
    »Zurückschauen hilft uns nicht weiter«, stimmte ich zu. Wolsey und seine Welt gab es nicht mehr, und mit ihr waren seine Überzeugungen, seine Bündnisse und Loyalitäten untergegangen. »Spornt Wotton nur immer zur Eile an. Ich werde mich erst entscheiden, wenn ich seinen Bericht habe.«

LXXXIV
    I m August meldete Cromwell, er habe Nachricht von Nicholas Wotton in Sachen Prinzessin Anna, und sie sei »günstig«.
    »Was hat er genau gesagt?«, drängte ich.
    »Sie sei intelligent und loyal und der Verbindung zugeneigt«, erzählte Cromwell.
    »Und schön ist sie ja auch«, fügte ich hinzu. Holbeins Porträt hatte mich dessen versichert. Intelligenz – die brauchte ich. Und Loyalität – nicht minder wichtig.
    »Das ist sie in der Tat!«
    »Und nicht zu protestantisch? Mit einer Lutheranerin will ich nichts zu tun haben!«
    »Nein, ihr Haus denkt wie Ihr. Ein selten Ding in diesen unruhigen Zeiten, dass man die Zwillingsgefahr des Papsttums und der Ketzerei erkennt.«
    »Ist ihr Bruder einverstanden, wenn sie vom Kontinent fortheiratet?«
    »Er ist einverstanden und bereit, einen Ehevertrag zu unterschreiben.«
    Nun war es also so weit. Ich musste wieder heiraten. All meinen Einschränkungen, politischen wie persönlichen, zum Trotz hatte es den Anschein, dass eine Braut gefunden war, die diesen Einschränkungen entsprach. Und überdies, um der Sache ein wenig Exotik zu verleihen, war es eine Rheinprinzessin, die zwei weiße Schwäne in ihrem Wappen führte, Symbole der Offenheit und Unschuld. Eine Familienlegende im Haus Kleve berichtete von einem verzauberten Schwan, der von zwei weißen Schwänen in einem Nachen den Rhein hinuntergezogen worden sei und vor langer Zeit einer Tochter des Herzogs von Kleve einen »Besuch« abgestattet und mit ihr ein Kind gezeugt habe. Von ihm stammte sie ab, meine Schwanenprinzessin …
    »Dann schickt William Petre zu Wotton; gemeinsam sollen sie einen Vertrag aufsetzen, unterzeichnen und bezeugen«, befahl ich schließlich.
    Cromwell strahlte.

    Drei Wochen später erschien er wieder und bat um Audienz. In seinen Händen hielt er die Depesche vom Herzogtum Kleve. Wortlos überreichte er sie mir, und ich las den Inhalt.
    Dann gab ich sie Cromwell zurück, auf dass er sie mit seinen Anwaltsaugen sorgfältig lese; ich stand derweil am anderen Ende des Gemaches und schaute hinaus in den jämmerlichen kleinen Garten, der dort unten dunstig und sterbend im Herbstregen lag. Meine Gedanken streiften umher, suchten sich zwischen welken Stielen und totem Laub zu verstecken.
    »So soll es geschehen?«
    »Hm?«
    »Ich sagte« – Crum glaubte den Unterton von leichter Gereiztheit, der seine Stimme hob, zu verbergen –, »so soll es geschehen? Hier scheint mir alles in Ordnung zu sein. Soll ich den Herzog von Eurer Entscheidung in Kenntnis setzen?«
    »Aye. Der Herzog von Kleve wird mein Bruder.« Ein deutscher Bruder? Die Deutschen … ihre Natur war mir so fremd. Ihre Speisen … ihre mächtigen, schweren Beine und Hinterbacken … selbst ihre Namen: Wolf, Gisella, Ursula. Und ihre bleierne Art, so entgegengesetzt der englischen Heiterkeit. (Aber meine Anna würde so nicht sein; sie war anders.)
    Ja, Anna war wie Jane. Beifällig sah ich ihr goldenes Gewand, übersät von Edelsteinen und zierlich bestickt. Sie hatte den gleichen Geschmack wie ich. Wie gut würden wir in der Öffentlichkeit zusammen aussehen! Zierlich erschien sie mir; weder die alles beherrschende Klobigkeit Katharinas noch die freche Wildheit Annes würden ihr eignen. So süß, wie meine Jane, mit ihrem gesenkten Blick …
    Bei dem Gedanken an Jane erwachte wieder der vertraute Schmerz, der nie ganz von mir wich. Diese Trauer schien ihr eigenes Leben zu haben; sie lebte jetzt schon länger mit mir als Jane selbst. Ich wusste, ich musste ihr ein Ende machen; es war an der Zeit. Aber …

    Der Hof vernahm mit Entzücken, dass er wieder eine Königin bekommen sollte. Ein Hof ohne weibliche Hand wird entweder langweilig und ganz und gar

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