Ich, Heinrich VIII.
Rechtsgelehrten ließ vermuten, dass die Advokatenkammern der Umgebung völlig verwaist standen. Und sie schnatterten alle auf einmal darauf los, wie eine große Horde Affen.
Katharina steckte irgendwo mitten zwischen ihnen; es dauerte eine Weile, bis ich sie zu sehen bekam. Als der Lärm des gelehrten Geredes und das Kratzen der Federn auf Pergament verstummt waren, führte man sie hinaus und forderte uns auf, Seite an Seite Aufstellung zu nehmen.
Sie ist so klein, war mein erster Gedanke. Sie war nicht gewachsen, ich hingegen schon.
Sie ist so schön, dachte ich dann.
Katharina war jetzt siebzehn und auf dem Gipfel ihrer Schönheit angelangt. So wenige Menschen sahen sie damals, dass ihre Schönheit nicht zur Legende geworden, nicht in allgemeiner Erinnerung geblieben ist. Ihre Jugend hatte sie in beinahe klösterlicher Abgeschiedenheit verbracht, und als sie daraus hervorkam, war ein Teil bereits vergangen. Aber damals … oh, damals!
Seite an Seite standen wir da, steif und verlegen. Der Anwalt des Königs drückte dem Bischof von der einen Seite ein Papier in die Hand, der spanische Anwalt von der anderen. Dann sprachen wir die Gelübde nach, ohne einander nur einmal anzusehen, lange Gelübde in lateinischer Sprache. Und wir schrieben unsere Namen auf mehrere Dokumente.
Als dies geschehen war, wurden wir von unseren jeweiligen Anwälten sogleich auseinander gezerrt. Wir durften anscheinend erst miteinander sprechen, wenn wir uns in zwei Jahren im gemeinsamen Bett wiederfänden. Durch verschiedene Türen, wie wir gekommen waren, verließen wir die Residenz des Bischofs.
Vater sagte nichts, bis wir unversehrt auf der breiten, plumpen Barke saßen und über die Themse zurück nach Greenwich fuhren. Das Wasser war eine glatte, hässlich graubraune Fläche, in der sich der bedeckte Himmel spiegelte. Hier und da schwamm ein Stück Abfall vorüber. Die Leute, die längs des Ufers wohnten, betrachteten den Fluss anscheinend als ihre private Kloake, trotz einer Verordnung gegen das »Werfen von Verdorbenem, welches vergiftet das Wasser in London und ringsum«. Ich sah einen toten Hund, der sich langsam drehte und versank. Wenn ich König wäre, würde ich dafür sorgen, dass gegen diesen Missbrauch des Flusses Maßnahmen ergriffen würden.
»Dir ist klar«, sagte Vater mit leiser Stimme, damit die Bootsleute ihn nicht hören konnten, »dass du die Prinzessin nicht sehen und dass du auch sonst keinen Verkehr mit ihr haben darfst. Lass sie in ihrem spanischen Haus bei ihren Spaniern.«
»Aber sollte ich ihr denn keine Pfänder schicken, ihr schreiben …«
»Du Narr!« Erzürnt presste er die Lippen zusammen. »Hältst du dich etwa für einen Freier? Pfänder!« Er spie das Wort aus. »Nichts wirst du tun. Nichts. Lass sie in Ruhe.«
»Aber … warum?«
»Weil diese Verlobung nur auf dem Papier steht. Ich bezweifle, dass es je zu einer Hochzeit kommen wird.«
»Aber warum dann diese Zeremonie? Wozu die Vereinbarungen?«
»Das hat nichts zu sagen. Was eine Zeremonie verknüpft, kann eine andere auflösen. Das wirst du doch wissen? Man könnte fast sagen, es ist die oberste Regel der Königsherrschaft. Die Zeremonie sollte uns den Spaniern gegenüber lediglich Zeit verschaffen; sie sollte unsere guten Absichten zeigen.«
»Die aber weder gut noch ehrlich noch freundlich sind.« Wieder trieb ein totes Tier vorbei, kreisend in Schaum. Es stank. Alles kam mir verdorben vor: der Fluss, Vater, ich selbst. Nur die Prinzessin nicht.
»Die Spanier betrügen uns mit der Mitgift. Es hat in dieser Angelegenheit manche Lüge und Irreführung gegeben. Ich glaube nicht, dass sie sich zufrieden stellend beilegen lässt. Deshalb denke ich, dass eine Vermählung zwischen dir und der Prinzessin nicht infrage kommt.«
»Hat die Prinzessin … Kenntnis … von diesem Betrug?«
»Sie weiß nichts davon. Sie tut, was man ihr sagt. Wie du es auch musst.«
Ich umklammerte die holzgeschnitzte Reling so heftig, dass mir die Hände wehtaten.
Ich wollte nicht tun, was man mir sagte.
IX
S chließlich blieb mir aber nichts anderes übrig. Ich konnte Katharina keine Botschaft schicken, wenn sich niemand bereit fand, sie zu überbringen, und kein königlicher Bediensteter würde dies gegen den ausdrücklichen Wunsch des Königs übernehmen. Ich muss gestehen, diese Loyalität beeindruckte mich. Man diente Vater gut.
Mein vierzehnter Geburtstag kam heran, aber Hochzeitsvorbereitungen wurden nicht getroffen. Stattdessen sollte eine
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