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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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zu ihm. »Geh und mische dich unter meine Gäste. Sie sind so überschwänglich, dass sie über die nichtigsten Dinge lachen. Es wäre schade, einen erstklassigen Meister der Komödie an sie zu verschwenden. Ich habe die Lehrlinge beauftragt, für Unterhaltung zu sorgen. Du sollst zum Bankett am Hohen Tisch sitzen. Ich befehle es!«
    Er lachte – oder war es kein Lachen? »Was? Bei dir und den Prinzessinnen, die beide auf die eine oder andere Art enteignet und in Misskredit gebracht worden sind? Gehöre ich denn in solche Gesellschaft? Wirklich?«
    »Wir sind alle missraten dort oben«, hörte ich mich sagen. Ein König mit einem Gebrechen, dachte ich, aber ich sagte es nicht. »Wir haben alle einen Makel in unserer Vergangenheit, aber wir sind dennoch da, und wir sind stark. Es wäre mir eine Ehre, dich unter uns zu haben.«
    Seine Miene öffnete sich; er war für den Augenblick entwaffnet und dazu fähig, Zuneigung anzunehmen.
    »Eine Ehre wäre es mir auch«, sagte er leise.

    Catherine hatte ich nicht mehr gesehen, seit mein Beinleiden wieder ausgebrochen war, und ich war dankbar dafür gewesen, dass sie sich anderswo aufgehalten hatte. Sie tollte ausgelassener umher als meine Töchter, was in mir die Vermutung weckte, dass die Ausgelassenheit eine Charakterneigung, nicht eine Frage des Alters sei. Brandon war ausgelassen, und der hatte die fünfzig schon vor einer Weile überschritten. Seine Braut, Katherine, war es nicht, und sie war an die fünfunddreißig Jahre jünger als er.
    Alles war vorbereitet. Am Abend nahm jedermann ein karges Mahl in seinen Gemächern ein, damit die Große Halle geschmückt und mit Girlanden behängt werden konnte. Auch ich hielt es so; mit Freuden verspeiste ich Haferbrei mit Zimt, gewürztes Ale und einfaches Schwarzbrot und ging dann früh zu Bett – alles unter dem Vorwand, für den folgenden Tag auszuruhen.
    Dr. Butts untersuchte mein Bein; es war zwar nicht besser geworden, aber er erklärte, es habe sich auch nicht verschlimmert. Das freute mich. Es bedeutete, dass ich am nächsten Abend würde tanzen können.

    Es würde eine volle Stunde dauern, bis ich mein Kostüm angelegt hätte, so zierlich verschlungen waren Schnüre und Verschlüsse. Die Maske aus gehämmertem Silber war so dünn wie ein Taschentuch und genauso leicht zerknüllt. Culpepper und Lacey wanden sich unter mancherlei Murren in das Kamelkostüm. Es sei heiß darin, beschwerten sie sich, und die Beutel mit Speisen und die Flaschen mit Wein, die sie sich um den Leib geschnallt hatten, würden sicher nicht bis zum Morgengrauen halten.
    »Ihr müsst Euch vorstellen, Ihr wäret wirklich Kamele, die tagelang ohne Nahrung auskommen können«, sagte ich. Ihr Murren missfiel mir. Es schmeckte nach Verweichlichung, wie sie bei einem Engländer Abscheu erregend ist. Denn wir müssen stark sein, nicht weibisch wie die winselnden Franzosen.
    Sie brummten noch ein wenig. »Schweigt!«, donnerte ich. Die braunsamtenen Höcker gehorchten.
    Wir warteten mit dem Kostümieren, bis wir das Bankett hinter uns hatten. Die Masken hätten das Essen mühselig werden lassen.
    Die Große Halle erstrahlte in der Farbe von Kerzen- und Fackelschein. Ganz gleich, wie viel Pfund Bienenwachs- und Talgkerzen man nimmt, das Licht hat nie die klare, helle Farbe der Sonne oder des Mondes; es hat immer einen goldenen Hauch. Heute Abend taten zehntausend Pfund Wachs ihr Bestes, und doch verloren sich die oberen Bezirke der Balkendecke in Dunst und Schatten, und man spürte, dass außerhalb dieser künstlichen Lohe aus Licht und Wärme der Winter lauerte. Die Halle, in der alles beim Met beisammensaß und schmauste – ein nordischer Dichter hatte gesagt, das Leben sei wie ein verirrter Sperling, der ins Haus gefunden habe, während draußen die eisige Finsternis harrt. Aber der Flug durch das Haus ist kurz, zu kurz, und schon bald findet er sich wieder draußen und stirbt.
    Heute Abend war ich drinnen. Es war nicht nötig, solchen melancholischen, dunklen Gedanken nachzuhängen. Mein Bein hatte Ruhe gegeben – ob aus eigenem Antrieb oder durch die Kunst des Arztes, wer konnte das sagen? Keine Fragen, stelle keine Fragen, sondern nimm hin, was ist. Fragen stinken nach der Fäulnis, die unter allen bunten Dingen steckt.
    Ich nahm meinen Platz bei meiner Königin und meiner Familie am Hohen Tisch ein. Es war das erste Mal seit zwei Tagen, dass ich Catherine sah, und wie immer war ich wie betäubt von ihrer schieren physischen Schönheit, als ich

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