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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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als Bankettsaal gedient hatte, war nun völlig verwandelt. Ein Heer von Fremden wimmelte durcheinander. Eine Haremsdame. Merlin, der Magier. Mehrere Nonnen. Dort war Papst Adrian, der einzige englische Papst; er hatte bemerkenswerte Ähnlichkeit mit mir. (Wer hatte das gemacht?) Da war ein Henker mit Hauklotz und blutiger Axt, Bruder Tuck, bemalte Wilde aus der Neuen Welt, Werwölfe, Kreuzritter. Und am anderen Ende der Halle sah ich Jesabel. Sie trug ein spärliches Kostüm, das ein Viertel ihres Körpers unbedeckt ließ, und neben ihr stand ein Mann, der als Elias verkleidet war, schwadronierend und schimpfend. Als sie sich bewegte, erkannte ich sie – Catherine!
    Ich war entsetzt. Die Königin von England! Wie konnte sie es wagen, fast nackt in der Öffentlichkeit zu erscheinen, verkleidet als Hure und böse Königin? Jesabel war böse, sie war ein Symbol der Bosheit und eine Feindin des Herrn. Ich sah aufmerksam zu, wie Elias auf sie eindrang und mit den Fingern salbungsvoll auf eine nachgeahmte Thora wies. Hinter ihnen kam ein dicklicher, fettsträhniger König Ahab, der sich kichernd die Finger leckte. Wer waren ihre Komplizen? Die Zuschauer lachten und trieben sie jubelnd voran; offenbar waren sie entzückt von diesem frevelhaften Schauspiel.
    Niemand nahm Notiz von meinem eigenen aufwändigen Kostüm, nicht einmal von dem Kamel, das hinter mir hertrottete. Nein, sie waren gefesselt von Jesabel.
    Eine Kleopatra betrat die Halle; Schlangen ringelten sich um ihren Leib, schmiegten sich an sie und glitten in die intimen Bezirke ihres Kostüms. Ein trunkener Mark Anton folgte, und dann ein Julius Cäsar, der in regelmäßigen Anfällen zu Boden stürzte. Schaum quoll ihm aus dem Mund (nachgefüllt aus einem Behälter mit geschlagenem Eiweiß, den er bei sich trug). Die Menge schrie: »Stürze, o mächtiger Cäsar!« Alle drei Schritt tat er ihnen den Gefallen.
    Troilus und Cressida erschienen als Nächste. Sie hingen aneinander, die beiden Liebenden aus dem alten Troja, und küssten und liebkosten sich. Dann aber ward Cressida von einer großen Schar eingeölter Athleten ergriffen; vor Troilus weinenden Augen zogen sie ihr die Röcke hoch, vergnügten sich mit ihr und befingerten sie am ganzen Leibe. Sie aber verging fast vor Wonne und zuckte krampfhaft in gespielter Erfüllung.
    Was war nur aus den freundlichen, ritterlichen Verkleidungen meiner Vergangenheit geworden? War die Zwölfte Nacht zu einem solchen Schauspiel verkommen? Ich sah mich um. Ein paar der Alten waren in die schönen, zierlich gefertigten Kostüme gekleidet, die ich erwartet hatte, derweil rings um sie her die obszöne Jugend tobte.
    Der Abt von Regellos erschien auf der Estrade, und es verschlug allen den Atem. Er war ein mannshoher Penis; nicht einmal ein Ring der Beschneidung fehlte. Um seine Füße sprossen schwarze Drähte, die Schamhaare darstellen sollten; sie zitterten und schwankten. Das Organ an sich stand aufrecht, geschwollen und gerötet. Der Abt wippte vor und zurück, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    »Liebe Gesellschaft«, sprach eine gedämpfte Stimme aus dem Inneren des Organs. »Nicht oft habe ich Gelegenheit, vor einer so vornehmen Schar zu erscheinen.« Vereinzeltes Gelächter. »So stehe ich hier, Euch zu Diensten.« Kreischendes Gelächter. »Manche von Euch haben mich schon oft gesehen. Anderen bin ich noch unbekannt.« Er verbeugte sich in Richtung der »Nonnen«. »Oder vielleicht nicht?« Neuerliches Gelächter. »Nun habt Ihr Euch alle bereit gefunden, genau das zu tun, was ich Euch befehle. Ich bitte daher, dass ein jeder, der einen Körperteil wie mich besitzt, sich am hinteren Ende der Halle versammele. Die aber, die zwischen den Beinen gespalten sind, mögen hier bleiben.«
    Neugierig auf das, was er im Schilde führte, beeilte sich die ganze Gesellschaft, ihm zu gehorchen. Ich wurde von den anderen Männern mitgerissen, sodass ich mein Kamel verlor. Aber wen kümmerte das? Mein Kostüm, meine ganze Idee, war passé. Niemand interessierte sich für die Weisen oder ihre Kamele.
    Spiel um Spiel folgte unter der Leitung des Abtes. Es waren obszöne, alberne Spiele. Als die Jungen ihrer müde waren (denn die Obszönität nutzt sich ab wie jede andere Mode), waren sie bereit zum Tanzen.
    Der Tanz würde mit einer Basse Danse beginnen, einer majestätischen, langsam schreitenden Eröffnung, die dazu diente, die prächtigen Kostüme vorzuführen und eine feierliche Atmosphäre zu schaffen. Inmitten dieses

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